Buchbesprechung/Rezension:

Ashwien Sankholkar: Der geplünderte Staat und seine Profiteure
Vom Eurofighter-Skandal bis zur Burgtheater-Affäre

Der geplünderte Staat und seine Profiteure
verfasst am 28.09.2017 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Sachbücher, Sankholkar, Ashwien
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Es ist ja nicht so, dass Skandale, Korruption und Maßlosigkeit in der Politik neu wären. In den 1970er Jahren war es der legendäre Alfred Worm, der sich als Enthüllungsjournalist einen Namen bei den Österreicherinnen und Österreichern machte – ohne die kräftige Mithilfe durch seitens der Politiker wäre ihm das nicht gelungen. 

Doch trotz all der zwischenzeitlichen Enthüllungen geht das lustige Treiben dieser “Netzwerker-Banden” munter durch die Jahrzehnte weiter. Bis heute. Immerhin ist es angesichts dieser andauernden Misere positiv zu wissen, dass es auch heute engagierte Journalisten gibt; solche wie Ashwien Sankholkar.

Gefühlt erhöhte sich seit der Jahrtausendwende die Menge der Betrügereien noch um ein Vielfaches. Das muss so – kurz nachdenken – genau: mit dem Eintritt dieser blauen Partei in eine Regierung mit dem vormals Mascherl tragenden Kanzler begonnen haben.

Es kamen ab nun zu den Machenschaften, die die Großkoalitionäre und ihre Günstlinge davor noch möglichst verdeckt ablaufen ließen, noch jene dazu, bei denen dynamische blaue Regierungsnewcomer dann schon ganz ungeniert zugriffen. Der Staat – also wir und im speziellen unser Geld – wurde also ganz ungeniert als Portokasse betrachtet, in die man bei Bedarf greifen konnte. Und wenn nicht direkt, dann über gut geschmierte Kanäle, die von Spezialisten stets offen gehalten wurden. Die von Haider geförderten und von Schüssel salonfähig gemachten Buberln begriffen Österreich als gigantischen Selbstbedienungsladen.

Dabei muss man noch unterscheiden zwischen dem munteren Priviligenstadl, in dem sich über die Jahre Traditionen der Unterschlagung, der Verschwendung, der Begünstigung und der Schönfärberei festgesetzt haben; das Burgtheater und die Nationalbank sind Beispiele dafür.

Und auf der anderen Seite jene mit von Anfang an in betrügerischer Absicht initiierten Vorgänge, die einzig zur Verschiebung von illegalen Provisionen und Zahlungen für Lustschlösser und nicht existierende Leistungen dienten. BUWOG, Abfangjäger, Hypo Alpe Adria, Telekom gehören zu dieser Kategorie. Diese Art von Vorgängen erlebte mit Antritt und Dauer der Schüssel-Haider-Koalition ihre Hochkonjunktur und beschäftigt bis heute und noch für lange Zeit die Gerichte.

Diese angeführten Affären sind allerdings nur ein Teil der bekannten Betrügereien an den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Und mit Ausnahme der GRÜNEN haben alle Parteien samt ihren Günstlingen Dreck am Stecken.

Auch wenn über diese und viele weitere Fälle laufend sehr ausführlich in den Medien berichtet wird, obwohl es dazu schon mehrere Untersuchungsausschüsse im Parlament gab und gibt; obwohl man meinen könnte, schon alles darüber zu wissen, wird man mit diesem Buch erfahren müssen: man wusste noch lange nicht alles!

Eine enorme Menge an Zahlen, Name und Vorgängen hat Ashwien Sankholkar in diesem Buch zusammen gefasst. So viel, dass es schwer ist, den Überblick zu behalten, wer wo was und wieviel wohin verschoben hat. Und vor allem enorm viel, das mir in den hunderten von Meldungen zu diesem Themenbereich entweder entgangen ist oder einfach bislang noch nicht aufbereitet und publiziert wurde.

Dazu kommt die lange Zeitspanne, seit der über diese Fälle zu lesen ist: sich dabei an auch einen geringen Teil der Namen und Verbindungen zu merken ist fast unmöglich. So frischt dieses Buch das Wissen auf und macht vor allem in der zusammenfassenden Rückschau klar, wie verhältnismäßig wenige Leute beteiligt waren und wie viel Schaden diese recht überschaubare Gruppe anzurichten im Stande war.

Sankholkar verfügt sichtlich über einen enormen Schatz an Quellen aus erster Hand, mit denen sich sehr detailliert die Vernetzungen der Beteiligten, die Geldflüsse und die mit hoher krimineller Energie entwickelten Verschleierungstaktiken nachweisen lassen.

Mein erstes Buch zum Thema Korruption in Österreich war “Der Skandal.AKH” von Alfred Worm aus dem Jahr 1981 und neben diesem stehen noch viele weitere bei mir im Regal. “Der geplünderte Staat und seine Profiteure” fügt sich nahtlos in die Worm-Enthüllungs-Tradition. Ich fürchte jedoch, dass sich damit zwar einiges aufklären lässt und klarer wird, aber letztendlich solches Treiben nicht abgestellt wird.

Fazit: obwohl in den vergangenen Jahrzehnten so viel Skandale von hartnäckigen Journalisten und Ermittlern aufgedeckt wurden, kommen immer wieder neue Fälle hinzu. Das führt zu dem Schluß zu, dass

  1. nur ein kleiner Teil aufgedeckt wird und somit das Risiko der Entdeckung gering ist und/oder
  2. die Gewinnchancen so hoch sind, dass man leicht ein bisserl an Unannehmlichkeiten vor Gericht in Kauf nehmen kann und/oder
  3. selbst bei Auffliegen die Mühlen der Justiz oftmals gar nicht anfangen zu mahlen oder – falls doch – dies nur beleidigend langsam tun.

Sankholkar zeigt am Ende zwar einige Maßnahmen auf, die nach seiner Meinung die Privilegien, Begünstigungen und Betrügereien eindämmen könnten. Wer aber soll diese Maßnahme beschließen, wenn die dafür Gewählten oftmals selbst mitten drin im Sumpf stecken?

Was ich wirklich nicht verstehe: nach meinem Wissensstand sind die Grünen die einzige Partei, die in keinen dieser Skandale verwickelt war, sondern im Gegenteil bei der Aufdeckung immer voran geht (Peter Pilz, Gabriele Moser). Und trotzdem wird, wenn es ums Protestwählen geht, vorrangig bei den sogenannten “Freiheitlichen” ein Kreuzerl gemacht, obwohl gerade aus dieser Partei einige der aktivsten Teilnehmer des lustigen Geldverschiebe-Spieles kommen – kommen und nicht kamen, denn auch die “neue” Riege der FPÖ findet sich in diesem Buch)

Der schon legendäre Satz “Wo woa mei Leistung” stammt zwar vom Haider- und Grasser-Freund Meischberger, könnte aber aus dem Mund von dutzenden anderen Nehmern stammen. Deren Namen und Nehmerqualitäten stehen in diesem Buch.

PS: muss ich das jetzt auch schreiben? Also gut: Es gilt für alle die Unschuldsvermutung.




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