Buchbesprechung/Rezension:

Cay Rademacher: Drei Tage im September
Die letzte Fahrt der Athenia 1939

Drei Tage im September
verfasst am 15.04.2023 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Geschichte, Rademacher, Cay
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Vor den drei Tagen im September waren es die zehn Tage im August, in denen die Entscheidungen getroffen wurden, die zu der folgenden Katastrophe führten.

Der Sommer des Jahres 1939. Cay Rademacher fasst in dieser Chronik die Ereignisse zusammen, die direkt und indirekt zu dem 1. September 1939 führten, an dem Hitler mit dem Überfall auf Polen den 2. Weltkrieg begann. Der wiederum der Auslöser für das weitere Geschehen war.

Das Buch listet auf und beschreibt einerseits die politischen und militärischen Vorgänge, die Entscheidungen in den Staatskanzleien und den Militärkommandos, andererseits die aus verschiedenen Quellen rekonstruierten Wege derjenigen, die sich am 3. September 1939 an Bord der Athenia befanden.

Die Athenia war der zweite Dampfer dieses Namens, den die in Glasgow ansässige Schifffahrtslinie Donaldson Atlantic betrieb. Schon das erste Schiff dieses Namens wurde, welche eine grausame Ironie, im Ersten Weltkrieg von einem deutschen U-Boot versenkt. Überdies war die Athenia der letzte Passagierdampfer, der England in Richtung Westen verließ.

Obwohl es seitens des Marine-Oberkommandos den eindeutigen Befehl gab, reine Passagierdampfer nicht ohne Vorwarnung anzugreifen, schoss das deutsche U-Boot U-30 ein Torpedo auf die Athenia ab. Es war dabei noch ein Glück, dass zwei weitere Torpedos nicht funktionierten und das Passagierschiff somit keine weiteren Treffer erhielt. Das gab zumindest ausreichend Zeit, die Rettungsboote zu Wasser zu lassen und einen Großteil der Passagiere zu retten.

Die Dramatik wird greifbar und fühlbar, wenn man die Menschen, die zum Zeitpunkt des Angriffes an Bord waren, schon in den Tagen zuvor quasi begleitet: woher sie kamen, warum sie gerade diese Passage buchten. Es waren Flüchtige aus Nazideutschland, US-Amerikaner, die heimkehren wollten, Während man also liest, wie sie alle voller Freude sind, dem Kontinent und damit dem Krieg zu entkommen, weiß man, dass sie doch zu den allerersten Opfern der Aggression Nazideutschlands werden.

Dramatik pur ist die Schilderung der Momente nach dem Einschlag des Torpedos, wie Chaos und Panik ausbrachen. Wie die Boote bemannt wurden und zu Wasser gelassen wurden, die Zustände an Bord dieser kleinen Rettungsinseln, als noch keine Hilfe in Sicht war; und selbst als nach ein paar Stunden die ersten Schiffe zur Rettung eintrafen, waren noch längst nicht alle in Sicherheit. Auch das Bergen der Menschen, die nach vielen Stunden auf dem Wasser geschwächt waren, forderte noch viele Opfer.

Etwas mehr als fünfzehn Stunden treibt die Athenia nach dem Angriff noch an der Oberfläche, gerade lange genug, um in einer gewagten Aktion noch eine letzte Überlebende von Bord zu bergen.

Das deutsche U-Boot hatte indes, nachdem der Kapitän erkannt hatte, dass er ein Passagierschiff torpediert hatte, ohne Hilfe zu leisten, den Ort des Geschehens verlassen. So gelang es den Deutschen, einige Zeit lang die Hintergründe zu verschleiern, denn es galt, die USA so lange wie möglich aus dem Krieg herauszuhalten, da eine offizielle Bestätigung zunächst fehlte. Wäre schon früher definitiv bekannt geworden, dass die getöteten 28 US-Bürger von Bord der Athenia die Opfer eines deutschen Angriffes geworden waren, wäre die Gefahr einer Kriegserklärung der USA an Deutschland wohl massiv gestiegen.

Es ist eine schon akribisch zu nennende Darstellung der Ereignisse, zusammengestellt aus einer Vielzahl an Quellen und zusammengefügt in einer Art und Weise, die erkennen lässt, dass Cay Rademacher ansonsten vor allem Krimis schreibt.

Hier schafft er Spannung und Dramatik alleine durch die präzise Aneinanderreihung von Fakten und die Beobachtung des Überlebenskampfes einiger der mehr als 1.100 Passagiere, die sich an Bord befanden.

Wie jeder Einzelne um sein Leben kämpfen musste, wie zwar viele gerettet wurden, mehr als 100 Menschen aber den Tod fanden – das ist insgesamt ein erschütterndes Dokument über die Unsinnigkeit und die Verwerflichkeit des Krieges. Dabei war die Versenkung der Athenia doch nur die erste von vielen Katastrophen, die in den folgenden Jahren auf allen Ozeanen noch das Leben Hunderttausender fordern würden.




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