Buchbesprechung/Rezension:

David Rennert : Der Oslo-Report
Wie ein deutscher Physiker die geheimen Pläne der Nazis verriet

David Rennert: Der Oslo-Report
verfasst am 01.10.2021 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Geschichte, Rennert, David
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Verborgener als die militärischen Aktionen lief im 2. Weltkrieg auch noch die Auseinandersetzung der Geheimdienste ab. Zum einen versuchten alle Seiten die Geheimnisse des Feindes aufzudecken, zum anderen wurden Täuschungsaktionen gestartet, um falsche Fährten auszulegen. Der “Oslo-Report”, der Anfang November 1939 auf Umwegen den britischen Geheimdienst erreichte, wurde deshalb zunächst sowohl als Informationsquelle als auch als Täuschungsmanöver der Nazis betrachtet.

Obwohl sich der Oslo-Report im Laufe des Krieges immer wieder als echtes Dokument bewies, hielt sich die Skepsis bei einigen Mitgliedern des Geheimdienstes der Briten bis zum Kriegsende.

Der österreichische Wissenschaftsredakteur David Rennert hat für dieses Buch die gesicherten Informationen rund um den Oslo-Report zusammengetragen. Entstanden ist eine sehr detailreiche Chronologie des Geschehens. Obwohl der Report vielfach eine enorme Hilfe für die Briten beim Kampf gegen Nazideutschland bot, ist das öffentliche Wissen um seine Existenz weitgehend verloren gegangen, ganz im Gegensatz zu dem über die Entschlüsselung des Enigma-Codes durch den britischen Geheimdienstmitarbeiter Alan Turing, dessen Geschichte mehrmals verfilmt wurde.

Zurück zum historischen Geschehen:
Durch einen glücklichen Zufall fiel der Oslo-Report dem Physiker Reginald Victor Jones in die Hände, der im 2. Weltkrieg als wissenschaftlicher Offizier für  den britischen Geheimdienst arbeitete. Von dessen Echtheit überzeugt, präsentierte Jones gegen den Widerstand seiner Vorgesetzten seine Erkenntnisse direkt vor Winston Churchill. Obwohl der britische Premier der Expertise Jones’ vertraute und sich auch bald die ersten Hinweise aus dem Report als richtig erwiesen, blieben die Zweifel über die Authentizität des sieben Seiten langen Papiers weiterhin bestehen.

Der Oslo-Report wurde vom deutschen Physiker Hans Ferdinand Mayer verfasst, der nach dem Überfall Nazideutschlands auf Polen endgültig den Beschluss fasste, gegen das Terrorregime in seiner Heimat aufzustehen. Er brachte den Mut auf, die ihm bekannten Geheimnisse über die Waffentechnologie und militärische Infrastruktur Nazideutschlands an die Engländer weiterzugeben. Noch hatten die Deutschen Norwegen nicht besetzt, weshalb es ihm möglich war, eine Geschäftsreise nach Oslo für die Weitergabe des Dokumentes zu nützen. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland arbeitete Mayer weiter auch an für Deutschland kriegswichtigen Projekten beim Konzern Siemens & Halske.

Obwohl sich einige Teile des Reports als nicht korrekt, übertrieben oder falsch herausstellten, war dennoch der größte Teil der darin enthaltenen Informationen ungemein hilfreich bei der Planung und Durchführung von Angriffen und Aktionen der Alliierten. 

Das Buch umfasst zwei Themenkreise:

  • Zum einen den Report, wie er von Norwegen nach England gelangen konnte, seine Inhalte, die Bewertung und die Verwendung dieser Inhalte.
  • Zum anderen liest man die Biografie von Hans Ferdinand Mayer, der sich, persönliches Risiko in Kauf nehmend, auch privat und im Beruf ganz offen gegen die Nazis wandte. In Nazideutschland aber war jeder und jede immer von Spitzeln umgeben; Mayer wurde schließlich von der Gestapo verhaftet und verbrachte zwei Jahre im KZ: Dass Mayer nicht ermordet wurde, hatte er seiner für das Regime und den Kriegsverlauf wichtige Arbeit in der Nachrichtentechnik zu verdanken sowie einflussreichen Fürsprechern, darunter auch seitens seines Arbeitgebers.

Obwohl kein Roman, sondern ein Geschichtsbuch, ist “Der Oslo-Report” eine ungemein spannende Lektüre. Zu lesen ist über Irrtümer und Fehleinschätzungen auf allen Seiten, über nationalistisch geprägte Bewertungen (auch auf englischer Seite), bis zu den konkreten Auswirkungen der einzelnen Abschnitte des Reportes.

Mit Hans Ferdinand Mayer wird zudem einer aus der (viel zu kleinen) Gruppe weitgehend unbekannt gebliebenen Frauen und Männer gewürdigt, die allen Ängsten und Bedrohungen zu Trotz standhaft in ihrer Haltungen gegenüber den Nazis blieben.

Das Buch ist eine komprimierte Zusammenfassung der Fakten, womit man einen ausgezeichneten Überblick über das Geschehen erhält. Es ergeben sich daraus für interessierte Leserinnen und Leser erweiterte Einblicke zu schon bekannten Ereignissen aus den Jahren 1939 bis 1945.




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