Buchbesprechung/Rezension:

Doron Rabinovici: Die Außerirdischen

Die Außerirdischen
verfasst am 01.10.2017 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Rabinovici, Doron
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Die Außerirdischen sind da! Die Nachricht macht die Runde, rast um den Erdball. Noch hat niemand genaue Information, aber die Gerüchte brodeln, Meldungen verbreiten sich über die „sozialen“ Medien, die Angst macht sich breit, was denn nun geschehen wird. Und als dann der Strom ausfällt, ist es klar: die Erde wird okkupiert, das Ende der Menschheit naht.

Auf den ersten Seiten lässt Rabinovici das Chaos entstehen. Das gelingt ihm unglaublich eindrucksvoll; so wie Anarchie, Gewalt, Plünderungen sich ausbreiten, breiten sich in mir Unruhe und Nervosität aus, als ob es wirklich gerade geschehen würde. Dabei greifen meine Erinnerung und Doron Rabinovici gleichermaßen auf die Berichte über ähnliches Geschehen zurück. Damals Erdbeben, Flutwellen, jetzt die Außerirdischen.

Der Unterschied: die Erdbeben und die Flutwellen haben viele Menschen miterlebt und gesehen, die Außerirdischen jedoch niemand.

Irgendwo entsteht ein Nachricht und – wenn sie nur in irgendein Verschwörungsschema passt – verbreitet sich rasend, egal ob wahr oder ob erfunden. Da hilft kein offizielles Dementi der Behörden, da hilft kein noch so penibel recherchierter Bericht in den Medien, der den Inhalt der Nachricht als Erfindung entlarvt. Unwahrheiten sind in der Welt, sie bleiben und alles andere wird als Vertuschung abgetan oder überhört.

So wie der Stromausfall, der zufällig zur selben Zeit stattfand, zu der auch die Meldung über die Außerirdischen geteilt wurde.

Wie das Amen im Gebet folgen weitere Meldungen über die Wohltaten der Außerirdischen, über all die Vorteile und Erfindungen, die sie uns bringen würde. Immer mehr davon prasselt auf die Menschen nieder,  bis der vorläufige Höhepunkt erreicht wird. Die Außerirdischen regen, quasi als kleine Gegenleistung für die Wohltaten, die Abhaltung weltweiter Spiele an, deren Gewinner mit unglaublichem Reichtum überschüttet würden. Die Verlierer jedoch ihnen, den Außerirdischen, geopfert würden; im direkten Wortsinn „mit Haut und Haaren“.

Eine regelrechte Industrie entsteht rund um die diese Meldung: Fernsehsender veranstalten Shows, Reiseveranstalter organisieren Events, es werden Grundstücke im Weltall verkauft. Und es melden sich genug Teilnehmer, die das Risiko eingehen um die gigantische Chance zu nützen.

Rabinovic beschreibt alles das so, als würde es wirklich geschehen. Dabei hilft ihm natürlich, dass es sich eine immer größer werdenden Menge an Menschen angewöhnt hat, zu glauben, die pseudorealen TV-Trash-Serien am Nachmittag wären Dokumentationen aus dem Leben und Meldungen in den sozialen Meiden wären umso wahrer, je mehr sie vom „System“ als Erfindung und Lüge bezeichnet würden.

Das, was in der von Rabinovici erdachten Welt geschieht, geht dann noch weit über das hinaus, was wir täglich erleben. Erfundenes und Verschwörungstheorien gewinnen die Wahrheitshoheit über die tatsächliche Realität * und treiben die Welt immer weiter und immer schneller in die Abgrund.

Ich konnte mich kaum losreißen, so sehr hatte ich das Gefühl in einer Geschichte gelandet zu sein, die ganz konsequent das zu Ende denkt, was wir seit einigen Jahren miterleben müssen. Wenn Verschwörungsgläubigkeit, Verweigerung von Meinungsaustausch und ein immer enger werdender Denk-Horizont von einem Phänomen, das nur eine Minderheit ergriffen hat, zu einem Massenphänomen geworden sind.

Enorm überspitzt (aber vielleicht ja auch nicht) vermengt Rabinovici in seinem Roman Elemente aus völlig unterschiedlichen Bereichen. Wenn er über die Lager schreibt, in die die Abweichler der neuen Welt eingepfercht werden, dann erinnert das an die Konzentrationslager und die Arbeitslager im Gulag. Wenn er die Vermarktung der Spiele beschreibt, dann erinnert das an die „Tribute von Panem“. Dazu kommen Abschnitte, die man als Satire lesen wird, andere als Horrorschocker und wieder andere als Thriller.

* ) schön langsam wird es ja notwendig, dem an sich eindeutigen Wort „Realität“ noch das Attribut „tatsächlich“ zuzuordnen – zur Unterscheidung von den erfundenen Realitäten. Siehe auch: flache Erde, kostenlose iPhones für Asylwerber, Donald Trump, Wunderheiler …




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