Buchbesprechung/Rezension:

Oliver Pötzsch: Der Totengräber und der Mord in der Krypta
Ein Fall für Leopold von Hertzfeld (3)

Der Totengräber und der Mord in der Krypta
verfasst am 09.09.2023 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Kriminalromane, Pötzsch, Oliver
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Wer noch nicht dort war, sollte das nachholen, wenn sich die Gelegenheit ergibt. In den Katakomben unterhalb des Stephansdoms in Wien liegen die Gebeine von Menschen aus vielen Jahrhunderten. Es ist ein schauerlicher Ort (jedoch ist an heißen Sommertagen ein Besuch zwecks Abkühlung sehr empfehlenswert).

Wenn die alten Gebeine schon schauerlich sind, dann ist ein gerade erst Ermordeter noch schauerlicher. Den Schreck ihres Lebens bekommt auf diese Weise eine Gruppe von Schaulustigen, die sich durch die Katakomben führen lassen, in einer unterirdischen Krypta.

Der Tote ist ein enger Freund von Oberpolizeirat Stukart, dem Vorgesetzten von Inspektor Leopold von Herzfeldt und der drängt den Inspektor deshalb, rasch Ergebnisse zu liefern. Dass er dabei Herzfeldt und Julia, dessen Freundin, direkt aus einer Opernvorstellung holt, kümmert Stukart nicht – der Fall geht vor.

Zurück geht es in das Wien des Jahres 1895. Es gibt viele Romane bzw. historische Krimis, die in den zurückliegenden Jahrhunderten spielen und die mehr oder weniger authentische Bilder aus der alten Zeit vermitteln. In den Herzfeldt-Krimis finde ich die Schilderung der historischen Gegebenheiten besonders gut gelungen, die Handlung ist fest im Jahr 1895 verankert und liefert ein sehr realistisch wirkendes Szenario daraus.

Während also noch meist mit Pferdekutschen gefahren wird, steht in vielen Häuser schon ein Telefon, man besucht die berühmten Gebäude, die an der Ringstraße entstanden sind, macht es sich in den Kaffeehäusern bequem oder macht einen Ausflug auf den Cobenzl. Dass man dabei auch auf einen sehr berühmten Berufskollegen von Oliver Pötzsch trifft, ist ein überaus gut gelungene Idee für einen Cameo-Auftritt eines Schriftstellers, den wir alle kennen: Arthur Conan Doyle. Doyle, als Autor von Kriminalromanen kann er natürlich nicht anders, bietet sich sogar an, bei den Ermittlungen zu helfen.

Wenn man dazu noch über den verbreiteten und gesellschaftlich überaus akzeptieren Antisemitismus liest, dann erfährt man auch etwas über die Geisteshaltung der Zeit (die zwei Jahre nach den hier erzählten Ereignissen den überzeugten Antisemiten Karl Lueger ins Bürgermeisteramt der Stadt Wien brachte).

Die Suche nach dem Mörder des Dr. Lichtenstein führt Leopold und Julia, die nicht nur seine Freundin, sondern auch Polizeifotografin ist, in die Spiritisten-Szene, die in Wien dieser Zeit tatsächlich großen Zulauf hatte. Spannend zu lesen, wie die beiden sich zunächst die Vorgänge in einer Séance nicht erklären können, um hinterher die Tricks der sogenannten Medien aufzudecken. Eine Szene, in der es um Geld und Einfluss geht und in der ein Mann wie Dr. Lichtenstein, der dabei war, die Machenschaften publik zu machen, schlecht fürs Geschäft ist. Liegt darin die Lösung des Falles?

Während Leopold und Julia dabei sind, den Fall des Mordes in der Krypta zu lösen, stößt der Totengräber Augustin Rothmayer, ein guter, alter Bekannter der beiden, auf etwas, das möglicherweise noch furchtbarer ist, als der Tote in der Krypta. In der Vorstadt verschwinden immer wieder Waisenkinder. Die Polizei kümmert sich nicht darum, es sind ja nur Kinder aus ärmlichen Verhältnissen. Rothmayer versucht nun, seine Freunde dazu zu bringen, auch in dieser Sache zu ermitteln. Als sich dabei herausstellt, dass unter den verschwundenen Kindern auch der Sohn eines einflussreichen Untertans seiner Majestät ist, gelingt es endlich, gerade mit Hilfe Rothmayers, die Ermittlung in die richtige Richtung zu lenken. Auch Julia nützt ihre Verbindungen zur Presse, um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung für diese Sache zu gewinnen. Für die Menschen ist diese Geschichte umso interessanter, weil der Nachtkrapp dahinter stecken soll, der sich Kinder,  die keiner vermisst, holt. Aber so einen gibt es doch nicht, das ist doch nur eine alte Sagengestalt, mit der man unfolgsame Kinder erschreckt … oder?

Schon den ersten Roman der Reihe habe ich gelesen und mein persönliches Fazit über diesen dritten Roman ist sehr ähnlich: äußert unterhaltsam und empfehlenswert.

Zum einen trifft die Bezeichnung „historischer Kriminalroman“ zu 100 % zu. Das Bild der Stadt, die Beschreibung der Lebensumstände, als die Kluft zwischen sehr arm und sehr reich unglaublich groß war, die Beschreibung der ganzen Atmosphäre in Wien – das alles versetzt einen als Leserin/Leser zurück ans Ende des 19. Jahrhunderts. Mit der Liebesgeschichte zwischen Leopold und Julia erfährt man zudem auch viel über die gesellschaftlichen Konventionen zur Zeit des Kaiserreiches.

Zum anderen ist die Krimihandlung, vor allem auch deshalb, weil zur selben Zeit gleich mehrere mysteriöse Vorgänge auf ihre Auflösungen warten, sehr kurzweilig und spannend – man muss das Geschehen auf gleich mehreren Schauplätzen im Auge behalten.  :-)




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