Buchbesprechung/Rezension:

Martin Suter: Melody

Melody
verfasst am 27.03.2023 | 1 Kommentar

Autorin/Autor: Suter, Martin
Genre:
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Gemeinsam mit Tom Elmer betritt man eine Welt, wie es sie in unserer schnellen, digitalen Zeit kaum noch gibt. Es ist die Welt im Inneren der Villa Aurora in Zürich, bewohnt von Dr. Peter Stotz.

Die Wege der beiden Männer fanden zueinander, als Tom auf der Suche nach einer Arbeitsstelle auf das Inserat in der Zeitung stieß. Das hatte Dr. Stotz aufgegeben, der für seine letzten Lebensjahre jemanden sucht, der seinen, Stotz’ Nachlass ordnen und damit ein Bild des früheren Nationalrates, mehrfachen Aufsichtsrates, Offiziers und überaus einflussreichen Mannes für die Nachwelt schaffen soll. Stotz ist krank, ein Jahr hat er vielleicht noch zu leben, doch er möchte nicht abtreten, bevor alles in seinem Sinn geordnet und geregelt ist.

Tom war nach seinem Jurastudium schon lange auf der Suche, es scheint für ihn keine passende Position zu geben. Es fühlt sich an wie Schicksal, als ob es Zeit gewesen wäre, dass diese beiden so unterschiedlichen Männer zusammentreffen. Tom akzeptiert das großzügige Angebot, damit verbunden auch Kost und Logis, und zieht in die Villa. Es wartet viel Arbeit auf ihn, Berge von Ordnern, Kartons und Unterlagen wollen gesichtet werden. Was wichtig ist, wird später geordnet, das Unwichtige dem Schredder überantwortet.

Die Welt in der Villa, die umfasst neben dem Hausherren noch Mariella, die mit Leidenschaft für das leibliche Wohl der Hausbewohner und Besucher sorgt, Roberto, den Butler sowie ein paar wenige Freunde des Hauses und Stotz’ Großnichte Laura. Ein kleiner Kosmos, dessen Bewohner viele Erinnerungen teilen. Als Tom dazu stößt, wird er schon bald ein Teil dieser Welt, gewinnt die Freundschaft des alten Mannes, der ihm immer mehr vertraut und anvertraut.

Es ist Toms offizielle Aufgabe, eine Art von Biografie vorzubereiten, die Weichen für eine spätere Erinnerung an den Menschen Peter Stotz zu stellen, in der nur das nachzulesen ist, was auch für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Er stellt jedoch schon bald fest, dass über allem und weitaus bedeutender als alle die einflussreichen Positionen und wichtigen Ämter, die Stotz in seinem Leben innehatte, die Geschichte von Melody steht.  Stück für Stück enthüllt Stotz, was vor annähernd vierzig Jahren geschah: wie er Melody und damit die große, alles überstrahlende Liebe seines Lebens fand und wie er alles verlor.

Nach einigen Suter-Romanen, die mich wenig begeisterten, lese ich endlich wieder einen, der mich ganz in seinen Bann zieht – und das hat gleich mehrere Ursachen.

Das ist zum einen Dr. Stotz, der mit seinen Erinnerungen, mit seiner Lebhaftigkeit und seinem klaren Blick auf ein nahendes Ende ein ganz außerordentlich gut gezeichneter Charakter ist. Gut charakterisiert und deshalb beinahe wie reale Wesen sichtbar werden in Wahrheit alle Personen, die Martin Suter auftreten lässt, doch Stotz ist eben die unumstrittene Hauptfigur.

Dann zum zweiten die immer mitschwingende Vertrautheit der Menschen, die einander schon seit vielen Jahrzehnte begleiten. Welche Rolle sie auch immer einnehmen, alles greift wie ein perfekt abgestimmtes Getriebe ineinander. Man betritt mit Tom Elmer (der auch bald seine Rolle darin findet) die Villa Aurora, meint, schon einmal dagewesen zu sein und möchte bleiben.

Drittens ist es die Erzählung von der Liebe zu Melody, den Plänen, die Stotz und diese Frau seines Lebens machten, wie alles zerbrach – und wie es doch etwas geben muss, das noch ungeklärt ist, wie eine Geschichte, die im Verborgenen weiter läuft. Das ist die spannende, mysteriöse Klammer, die über allem liegt.

Der Roman weckt viel Gefühle: Neugier, Trauer, Freude, Hoffnung, Wehmut. Wenngleich nicht alles sich zum Guten wendet, so ist es am Ende doch eine wunderbare Geschichte, die davon erzählt, dass es etwas geben kann, das einen das ganze Leben über begleitet, das Sinn ergibt, abseits jeden Strebens nach Erfolg und Wohlstand.

Eine Frage bleibt für mich am Ende offen, nämlich die, was zuerst war: Suters Geschichte über Peter Stotz und Melody, nach der dann das Bild für das Buchcover gesucht wurde. Oder war es umgekehrt: hatte Martin Suter die Idee zum Roman, nachdem er das um das Jahr 1940 entstandene Gemälde “Portrait Of A Lady” von Mischa Askenazy gesehen hatte? Wie auch immer, das Bild auf dem Cover passt perfekt zu dem Bild, das man sich von Melody machen kann.




Ein Kommentar

  • Julia (www.juliteratur.de) sagt:

    Eine sehr treffende Rezension! Mich hat das Buch kürzlich auch begeistert. Ich habe leider noch nicht viel von Martin Suter gelesen, aber das soll sich nun definitiv ändern.

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