Buchbesprechung/Rezension:

Haruki Murakami: Erste Person Singular

Murakami: Erste Person Singular
verfasst am 03.02.2021 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Kurzgeschichten, Murakami, Haruki
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Der Titel “Erste Person Singular” könnte auch für Murakamis Werk insgesamt verwendet werden. Seine Romane und Erzählungen lesen sich wie Erlebnisse des Autors, aus der Ich-Perspektive geschrieben.

Was immer es über Begegnungen zu Erzählen gibt, nimmt Murakami zum Thema, er komponiert Szenarien voller Mysteriösem und Rätselhaftem. Das funktioniert nicht nur in mehrbändigen Romanen wie beispielsweise “1Q84” oder “Die Ermordung des Commendatore” sondern es funktioniert auch im Kleinen.

In acht kurzen Erzählungen kann man das Abenteuer Murakami-Universum erfahren und genießen, darunter …

… Eine Musik, die wir leider nie hören werden: die Erzählung Charlie Parker Plays Bossa Nova ist eine amüsante Fiktion, die aber so unglaublich real wirkt, dass man wünschte, sie wäre wahr. Jedenfalls wären Charlie Parker-Fans wahrscheinlich völlig aus dem Häuschen, gäbe es ein solches Album. Ein Album aus dem Jahr 1963 für das sich Charlie Parker, der tatsächlich schon im Jahr 1955 starb, und Antonio Carlos Jobim zusammentaten. Aus der Symbiose aus Bebop und Bossa Nova wären mit Sicherheit Arrangements für die Ewigkeit geworden – und ich kann die Titel jetzt tatsächlich fühlen.

… Die Momente in denen man bemerkt, wie viel Zeit vergangen ist, in denen man sich wundert, woran man sich noch erinnert und in denen man erkennt, was man nicht wusste, sind das Thema in With The Beatles.

Musik ist überhaupt ein wiederkehrendes Thema Murakamis, er schafft es auch, ein Musikstück mit Worten so zu beschreiben, dass man es beinahe hören kann. Zudem liest man über die Vermenschlichung der Tiere, über die Fähigkeiten eines Affen; über einmalige Zusammentreffen, über die Leidenschaft für Baseball, über das Unvermögen, hinter die Fassende zu blicken. Der Blick zurück in die lange zurück liegenden Jahre der Jugend ist oft auch ein autobiografischer Blick – doch was von dem Gelesenen erfunden und was erlebt ist, das bleibt ungeklärt, es vermischt sich zu etwas Neuem.

Im Murakamis Geschichten treffen Wirklichkeit und Unerklärliches immer wieder aufeinander. Darin ist Murakami der wahre Meister, wenn er seine Protagonisten Situationen erleben lässt, in denen etwas geschieht, wie es in unserem Universum niemals passieren könnte. Jedenfalls dann, wenn man unsere Welt als vierdimensional und ihr Funktionieren als Folge von Naturgesetzen versteht. Wunderbar, dass es die Literatur gibt, die weite Ausflüge in andere (Gedanken-)Welten ermöglicht.

Bei Murakami werden Zeit und Realität wandelbar. Diese acht Geschichten lassen die Fantasie schweifen und Abenteuer im Kopf erleben. Zudem machen sie klar, dass Globalisierung nicht (nur) eine Frage der Warenströme ist; sie findet zuerst und immer schon im Kopf statt. Wie sonst könnten die Erinnerungen, die Musik, die Sehnsüchte und Abneigungen einander so sehr gleichen, egal ob man in Europa, in Amerika oder in Japan lebt. (und in überraschender Weise treffen sich in einigen dieser Geschichten Murakamis Rückblicke mit manchen meiner eigenen Erinnerungen).




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