Buchbesprechung/Rezension:

Steinfest, Heinrich: Wo die Löwen weinen

verfasst am 02.05.2011 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Romane, Steinfest, Heinrich
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Die Zusammenfassung gleich zu Beginn: beides – die Sprache und die Geschichte – sind grandios und genial (damit wäre eigentlich schon alles gesagt/geschrieben, aber ein paar Details zum Buch können ja nicht schaden…)

Stuttgard 21 ist ein Thema, das weit über Stuttgart, Baden-Württemberg und Deutschland hinaus als Beispiel für brachiales, bürger- und vernunftfremdes Handeln von Politikern an der langen Leine von Lobbyisten. Aber auch ein Besipiel, dass für den Aufbruch des Bürgertums (und eben nicht nur der Profi-Demonstierer) steht. Heinrich Steinfest, Wahl-Stuttgarter mit österreichischen Wurzeln, schreibt vor diesem Hintergrund ein Buch,  das eines der besten ist, das ich seit langem gelesen habe.

Ein Krimi als Buch zu Stuttgart 21, das heisst, dass man es hier natürlich nicht mit einer Dokumentation zu tun hat, sondern um eine erfundene Handlung, verwoben mit den durchaus subjektiven Ansichten des Autors zu dem realen Projekt, eingebettet in viele wahre, aber oft umschriebenen, Fakten. Es ist ganz sicher hilfreich, mehr darüber zu wissen als das, was (mir zB.) aus den Nachrichten bekannt ist, denn dann könnte man die Charakterisierung realer (aber nicht deziert namentlich benannter) Personen besser verstehen und bewerten. Oder man fände sich einfach besser in den Strassen und an den Orten zurecht, die Kulisse für die Geschichten im Buch sind.

Dieser Wissens-Teil fehlt mir leider, doch das schadet keineswegs (Good News für alle Nicht-Schwaben) bei der Lektüre des Buches. Und überhaupt – so geht es den meisten von uns ja auch bei jedem Krimi, der in der Bronx spielt.

Es beginnt in München, als ein 15-jähriger Junge überfallen und gedemütigt wird. Es entsteht ihm kein körperlicher Schaden (ein seelischer sehr wohl), denn es geht hier, wie sich bald heraus stellt, um einen Warnung an seinen Vater. Der ist Geologe und soll sich von einer Sache fern halten, die direkt mit Stuttgart 21 tun tun hat. Das jedenfalls findet Kommissar Rosenblüt bald heraus. Rosenblüt kann dem Vater entlocken, dass er schon kurz nach dem Angriff auf seinen Sohn in einem Telefonanruf bedroht und gewarnt wurde.

Nun ist Rosenblüt zwar bei der Mordkommission und mangels Mord eigentlich nicht zuständig, doch hier soll er einfach einmal einem vagen Verdacht nachgehen, den einer seiner Kollegen hatte, aber nicht konkretisieren konnte. Sehr zu seinem Mißvergnügen bewahrheitet sich nun also dieser Verdacht und das verschafft ihm kurz darauf eine Dienstreise nach Stuttgart.

Für Rosenblüt ist es ein Mißvergnügen, denn Stuttgart musste er vor einigen Jahren verlassen, als er nach München versetzt wurde, hinweg gelobt nachdem er entgegen mehrerer Anweisungen gegen lokale Prominenz weiter ermittelte.

Rosenblüt stellt sich sein kleines, inoffizielles Ermittlungsteam zusammen, bestehend aus seinem (gerade erst gefundenen/zugelaufenen) Hund “Kepler”, ein paar Kleinganoven in München und Stuttgart, die lieber mithelfen anstatt das Ziel von Ermittlungen zu sein und seiner Stuttgarter Kollegin Teska Landau, die ihm mehr als Wachhund, denn als Hilfe beigestellt wurde. Rosenblüt aber holt sie zu sich ins Boot und gewinnt eine wertvolle Assistentin.

In Stuttgart geschehen derweil mysteröse Dinge. Ein ehemals biederer Bürger besorgt sich ein Präzisionsgewehr und plant, dem bislang friedlichen Konflikt um den neuen Bahnhof durch eine handfeste Gewalttat zu neuem Schwung zu verhelfen. Und eine mehr als rästelhafte Maschine aus ferner Vergangenheit wird just an jenem Ort frei gelegt, an dem sich zukünftig die Bagger in den Boden wühlen sollen. Eine Maschine, die es so gar nicht geben dürfte, und wenn schon dann bitte nicht ausgerechnet hier.

Rosenblüt macht sich, und folgt damit einem rätselhaften Hinweis eines Informanten, auf die Suche nach dem Ort “wo die Löwen weinen”.

Steinfest schweift, steinfest-typisch, immer wieder ab, ohne aber dabei ausufernd zu werden. In diesem Buch schafft er es, genau zu dosieren und heraus kommt für mich eines der besten Bücher, das ich in den letzten Monaten gelesen habe. Es ist spannend, skurril, blinzelt manchmal ins Fantasy-Genre hinüber, gibt dem Humor seinen berechtigten Platz, bleibt dabei aber immer spannend und wirklichkeitsnah.

Trotz konzentrierten Lesens – nichts auslassend, wirklich jede Zeile aufnehmend um nichts zu übersehen – flogen die rund 280 Seiten nur so dahin, aufhören war ausgeschlossen (eine Art von Dragee-Keksi-Buch)

Nur ein paar von vielen Infos  zu einem sehr umfangreichen Thema: Stuttgart 21

PS: ich finde, man sollte ein Personenverzeichnis für jedes Buch zur Pflicht machen.
Hier gib es eines und das ist äußerst hilfreich.

PPS: die Definition als Krimi empfinde ich hier eher als Einengung. Auch wenn es so am Cover steht und der Roman von Steinfest auch als solcher bezeichnet wird: für mich lässt sich dieses Buch nicht in ein bestimmtes Genre einordnen.




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