Buchbesprechung/Rezension:

Roberto Bolaño: Lumpenroman

verfasst am 27.09.2010 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Bolaño, Roberto, Erzählungen
Buchbesprechung verfasst von:

Von einem unbekannten Ort aus, zu einer unbekannten Zeit erzählt Bianca ihr Leben. Sie erzählt vom Tod ihrer Eltern, die bei einem Verkehrsunfall starben, unterwegs zu ihrem ersten Urlaub zu zweit. Erzählt, wie sie und ihr Bruder in der Zeit danach langsam in Monotonie verfielen, wie  zuerst das Fernsehen mit seinen Quizshows zum Lebensmittelpunkt wurde, stundenlang, nächtelang.Erzählt,  wie ihr Bruder dann immer öfter mit Pornofilmen nach Hause kam, eine der Hautptdarstellerinnen so bewunderte, dass er alles über Sie in Erfahrung bringen musste.

Bianca erzählt, wie sie dann eines Tages zwei Freunde ihres Bruders in der Wohnung vorfand, sie blieben ein paar Tage, verschwanden für einige Zeit und kehrten zurück. Bodybuilder wären sie, so erzählte ihr Bruder, der damals in einem Fitnessstudio arbeitete und dort diese beiden, die wirkten wie Brüder, aber doch keine waren, kennen lernte.

Bianca erzählt von ihrem Leben, als ob es sich um das Leben einer Fremden handelte, nur hin und wieder scheint ein wenig Eigenes dabei zu sein.

Die beiden kehrten also zurück und blieben nun für längere Zeit. Hin und wieder verbrachten sie – einzeln wohlgemerkt – ein Nacht mit Bianca. Die Zeiten änderten sich, es wurde schwieriger, das gewohnte Leben weiter zu führen und schließlich verlor ihr Bruder seine Anstellung.

Ein Plan wurde geboren, um die wirtschaftliche Not zu besiegen. Ein Plan, bei dem Maciste, der Filmstar aus den 1960er-Jahren eine Hauptrolle spielen sollte. Maciste, so nannte man ihn wegen der Rollen die er einst in einigen Filmen verkörperte – die des bärenstarken Helden – eigentlich hieß er aber Franco Bruno, doch auch das war nicht sein richtiger Name sondern ein Künstlername. Geboren wurde er als Giavanni Delacroce. Nun ist er blind und alt und soll das Opfer eines Verbrechens werden.

Bianca sollte, dem Plan zufolge, Maciste verführen. Ihn zuerst verführen und dann auskundschaften, wo sein Tresor versteckt war. In seinem Haus findet sie dann eine ganz andere Welt, als die, die sie davor kannte. Nicht nur die schiere Größe meint sie damit, vor allem ist es eine neue Welt der Gefühle und der Geborgenheit, die sie kennen lernt.

Es ist ein sehr kurzes Lesevergnügen. Bianca gewährt auf nur knapp 100 Seiten Rückblick auf ihr Leben. Doch sie macht das in einer Form, in einer so einfachen und klaren und doch so eindringlichen Sprache, die den Eindruck hinterlässt, als wäre  dieses Buch weitaus umfangreicher.

Es ist aber wirklich ein sehr ein kurzer Roman, das merkt man spätestens dann, wenn man bald nach dem Beginn des Lesens schon wieder am Ende ist. Kurz, aber am Ende fällt mir nichts ein, was fehlen könnte. Wenn alles gesagt ist, dann ist es eben das Ende.

Nun könnte man natürlich in die Lebensgeschichte Bianca gleich eine ganze Kritik über den Zustand der Gesellschaft in Italien, dort spielt sich alles im Buch ab, hineindenken-  jedenfalls habe ich bei Recherchen im Internet mehrfach solche Deutungen gefunden. Ehrlich, ich habe  keine Ahnung, ob es das ist und halte auch nichts davon. Vielleicht hatte Bolano wirklich Gesellschaftkritik  im Sinn, doch für mich war es beim Lesen einfach eine sehr ergreifende, einnehmende und auch spannende Lebensgeschichte und ich war damit vollends zufrieden.




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