Buchbesprechung/Rezension:

Pete Dexter: Deadwood

verfasst am 05.09.2011 | 1 Kommentar

AutorIn & Genre: Dexter, Pete, Romane
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Einige Kritiker, unter anderen auch jener der Washington Post meinten, DEADWOOD sei “wahrscheinlich der beste Western, der je geschrieben wurde.“ Bezüglich dieser Aussage wage ich es nicht, mir ein Urteil anzumaßen, da meine Kenntnisse der Westernliteratur nicht über Karl May und G.F.Unger (ich meine die Heftchenromane) hinausreichen. Was ich aber mit Fug und Recht behaupten kann ist, dass DEADWOOD der beste Western ist, den ich bisher gelesen habe.

Wir schreiben das Jahr 1876. Der legendäre Revolverheld James Butler “Wild Bill“ Hickok und sein Freund Charley Utter sind mit einem Treck aus Cheyenne kommend in Deadwood eingetroffen. „Im Duell war er eiskalt, ohne nachzudenken tötete er das was vor ihm stand. Danach ging er fort, als hätte er nichts damit zu tun. Es war eine Form von Reinheit.“

Charley hat in seinem Leben noch nie auf einen Menschen schießen müssen und ist wenn man so will ein Geschäftsmann. „Charley hat nie die Absicht gehabt, in Panama reich zu werden, aber Geld hatte die Angewohnheit, ihm wie von selbst zuzufließen, als stünde er hügelabwärts.“ 

Die Goldgräberstadt, die ihren Namen nicht zu unrecht trägt, liegt in den Black Hills in South Dakota, umgeben von jeder Menge Indianer, die erbittert um ihre Heimat kämpfen. Während des Trecks gab es einige Probleme, da Malcolm Nash, der Bruder von Charleys Utters Frau Matilde, versehentlich Wild Bills Pferd erschoss. „Bis auf das Pferd war es für alle ein Glück, dass es passierte, als es passierte, aber auch kein so großes Glück, als dass Gott dabei seine Hand im Spiel gehabt haben könnte.“

Aber noch mehr Bröseln wird es aufgrund eines Streits geben, der mit einem Mann namens Al Swearingen vom Zaun brach, der für sein Bordell, das „Gem Theater“, frische chinesische Mädchen nach Deadwood transportierte. Al Swearingen sinnt nach Rache und als professioneller Tunichtgut besitzt er ein gutes Gedächtnis.

Gesundheitlich gesehen pfeift Mr. Hickok, obwohl erst 39 Jahre alt, aus dem letzten Loch und auch dieses droht in Kürze zu verstummen. Und die Ärzte des Wilden Westen sind schlecht, aber sein Zustand ist noch schlechter. Morphium ist das Universalmedikament.

Wild Bill will einfach nur seine Ruhe und das Leben genießen, oder vielmehr was es daran noch zu genießen gibt. Doch seine Berühmtheit macht ihm einen Strich durch die Rechnung, sprich einmal Revolverheld, immer Revolverheld.

Auch die Damenwelt von Deadwood bedrängt Wild Bill. Da ist einerseits die Schauspielerin Mrs. Langrishe, die das Rampenlicht riecht, andererseits Calamity Jane Cannary, die am Helfersyndrom leidet und auf den ersten Blick gar nicht wie eine Frau aussieht – unter uns gesagt, auch auf den zweiten Blick nicht.

Doch Wild Bill ist nicht interessiert, da er erst kürzlich in St. Louis die Trapezkünstlerin Agnes Lake geheiratet hat. Außerdem benötigt er zum Pinkeln bereits eine halbe Stunde und da weiß selbst der Hobbymediziner, dass etwas Gröberes im Busch ist.

Wild Bill verbringt seine Tage größtenteils in den Saloons, wo er zum Gaudium der Goldgräber, Kopfgeldjäger und sonstiger Outlaws Schnapsgläser vom Rücken eines Hundes schießt, sozusagen ein Wilhelm Tell des Wilden Westens. Charley Utter hat sich inzwischen in den Kopf gesetzt mit seinem Bruder Steve einen Pony-Express von Deadwood nach Cheyenne zu gründen, um den bestehenden von Mr. Clippinger zu konkurrenzieren. „Charley verschwendete vielleicht sein Geld, aber nie seine Zeit.“

Wie das Amen im Gebet beginnt Al Swearingen seinen Rachefeldzug und überfällt Malcolm Nash, der sein Glück als Goldgräber versucht und fügt ihm lebensgefährliche Verletzungen zu. Schließlich engagiert er einen Schwachkopf namens Jack McCall, den Katzenmann, der Wild Bill während eines Kartenspiels in einer Bar aus nächster Nähe hinterrücks erschießt. Doch damit ist die Geschichte nicht beendet. Ganz im Gegenteil, sie beginnt erst richtig und in Deadwood wird am Ende kein Stein auf dem anderen bleiben.

Pete Dexter hat die historischen Vorkommnisse in Deadwood genauestens recherchiert und selbst einige Zeit in den Black Hills verbracht. Er zeigt uns den Wilden Westen wie er wirklich war: eine Welt der rohen Gewalt, von ständiger Gier und Rachegedanken angetrieben, schmutzig, korrupt, mit dem Recht des Stärkeren als Maxime.

Da bleibt wenig übrig von der Bonanza-Idylle mit dem dicken, gutmütigen Hoss. Man wähnt sich eher in der Vorhölle oder schon ein entscheidendes Stück weiter im Pandämonium.  Warum die Amerikaner so stolz auf diese Zeit sind und ihren Waffenwahn damit begründen, wird mir wohl ewig ein Rätsel bleiben.

Wortgewaltig und in eindringlichen Bildern erzählt er von den gescheiterten Existenzen, Gold- und Sinnsuchern, geplatzten Illusionen, sowie den vielen Schattenseiten seiner Protagonisten in diesem Babylon der Goldgräber, wo die Männer in den abgesteckten Claims das Gold aus dem Berg und sich selbst die Seelen aus dem Leib schürfen. 

Dexter bedient sich  als Chronist einer lakonischen Sprache, die alles ein bisschen erträglicher macht. Über weite Strecken ist DEADWOOD zum Schießen komisch, weil der Autor sich nicht gescheut hat, auch Wagenladungen voll mit schwarzem Humor in den Text zu kippen.

DEADWOOD wurde 1986 bei Random House in New York veröffentlicht und liegt nun in deutscher Übersetzung vor. Dank und Anerkennung auch dem Liebeskind-Verlag für diese mutige Tat. Nach „Gods Pocket“ ein weiterer Beweis für die große Klasse von Pete Dexter.

PS: Bereits das Foto auf dem Buchcover ist legendär. Es zeigt (von links) Wild Bill Hickok, Texas Jack Omohundro und Buffalo Bill Cody, wobei ich noch nie traurigere Augen als jene von Wild Bill gesehen habe.

PPS: Vielleicht ist DEADWOOD tatsächlich der beste Western aller Zeiten und wenn nicht, ein wildes Lesevergnügen ist es auf jeden Fall!  




RSS-Feed für Kommentare zu diesem Beitrag 1 Kommentar


  • Kommentar von  Jürgen Bürger am 07.09.2011 um 00:24 Uhr

    Vielen Dank für diese umfassende Besprechung und vor allem auch für die Erwähnung der anderen Romane von Pete Dexter, einem leider hierzulande noch weitgehend unbekannten Autoren. Denkt man an all den drittklassigen Trash in so manchen Bestseller-Listen, könnte einem schon bisweilen eine Träne kommen, dass Autoren wie Dexter nur ein Schattendasein fristen. (Aber okay, ich bin sicher auch ein wenig befangen … ;-)
    Vielleicht schafft er und der Liebeskind Verlag es ja mit DEADWOOD, auch bei uns eine größere Fan-Gemeinde zu finden. Es sei beiden gegönnt.


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