Buchbesprechung/Rezension:

Jeremy Tiang : Das Gewicht der Zeit

Jeremy Tiang: Das Gewicht der Zeit
verfasst am 10.04.2020 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Tiang, Jeremy
Genre: Romane
Buchbesprechung verfasst von:
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Jason fristet in einem Krankenhaus die letzten Tage seines Lebens. Die einzige Verbindung zwischen seinem früheren und jetzigem Leben ist seine Tochter Janet, die in jeden Tag besucht – wohl mehr aus Pflichtgefühl, denn aus Liebe. Janet hat eine angesehene Stelle im öffentlichen Dienst und auch ihr Mann ist als Minister eine Person des öffentlichen Lebens – was würden wohl die Menschen in ihrem Umfeld denken, wenn sie ihrer Tochter-Pflicht nicht nachkäme.

Für das öffentliches Ansehen werden auch unerwünschte familiäre Bindungen gepflegt.

Jason lässt sein Leben in seinen letzten Lebenstagen an sich vorüberziehen, beginnend mit seinem gutbürgerlichen Elternhaus, bis zur Begegnung mit Siew Li, seiner späteren Frau und der Mutter ihrer beiden Kinder Janet und Henry.

Malaya (Malaysia) war in den 1950er-Jahren, der Zeit, in der die Geschichte dieses Romans spielt, noch britische Kronkolonie. Die Oberschicht der Bevölkerung fühlte sich mehr der englischen Lebensweise und Kultur zugehörig als den alten Traditionen. Eine große Gruppe der Bevölkerung waren Chinesen, die sich gegen die englische Kolonialmacht zur Wehr setzten.

Der Kommunismus entwickelte sich zum Schrecken für viele in dem Land. Der Terror kostete Menschenleben und die Angst, dass China mehr und mehr Einfluss erlangen würde, prägte das Leben. In den Fünfzigerjahren wurde schließlich der Ausnahmezustand verhängt. 

Jasons Ehe zerbrach, als seine Frau Siew Li ihn und die Kinder verließ. Sie war eine Sympathisantin der Kommunisten und hatte sich entschlossen, in den Dschungel
zu gehen, um mit Gleichgesinnten den Kampf gegen das herrschende Regime und dessen Grausamkeiten zu führen.

Die Londoner Journalistin Revathi – nun befinden wir uns in der Gegenwart – fliegt im Auftrag ihrer Zeitung nach Malaysia. Ihre Eltern waren vor vielen Jahren aus Malaysia nach England geflüchtet. Revathi will nun herausfinden, was damals wirklich geschah.

Aus Gesprächen mit Betroffenen, den Überlebenden aus jener Zeit, entsteht ihr Bericht – die Veröffentlichung sorgt in England für Aufsehen und Empörung. Letztendlich entzieht sich die Regierung in London aber ihrer historischen Verantwortung. Es gab nach den Recherchen von Revathi wohl Ansätze, die Vorfällen über die begangenen Grausamkeiten aufzuklären. Doch am Ende, wie so oft (wie es auch in anderen Ländern passierte und immer noch passiert), wird niemand zur Verantwortung gezogen. Keinen interessiert es wirklich mehr, dass in der Vergangenheit, an einem fernen Ort der Welt, Unschuldige verhaftet wurden, lange Zeit inhaftiert blieben, dass in den Gefängnissen gefoltert und gequält wurde, dass Menschen spurlos verschwanden.

Jeremy Tiang erzählt die Geschichte Malaysias und Jasons Familie mit sehr viel Einfühlungsvermögen. Von den fünfziger Jahren bis zur Gegenwart schildert er das Schicksal dieser Familie, die sehr stark von politischen und gesellschaftlichen Einflüssen erschüttert und geprägt wurde.

Viele Menschen setzten ihr Leben für die Freiheit ein. Und wenn sie den Terror überlebt hatten, war ihr Leben – nach der Unabhängigkeit Malaysias von England – gezeichnet von Entbehrung und Ausgrenzung.

Das „Gewicht der Zeit“ ist ein spannendes Buch, voller Dramatik und erschütternder Informationen über die damalige Zeit, er spannt einen Bogen von den Fünfzigerjahren bis zur Gegenwart. Ein sehr berührendes Buch.




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