Buchbesprechung/Rezension:

Alice Munro: Himmel und Hölle
Neun Erzählungen

Himmel und Hölle
verfasst am 04.07.2018 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Erzählungen, Munro, Alice
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Neun Erzählungen. 50, 80 Seiten lang, aber jede für sich fühlt sich an wie ein ganzer Roman. Alice Munro schreibt über Lebensabschnitte: sie steigt ein, als schon alles im Gange ist, verbleibt eine Weile und verlässt die Menschen, die Orte wieder, obwohl die Geschichte vielleicht noch gar nicht zu Ende ist. Es bleibt immer Raum, sich ein Davor und ein Danach selbst vorzustellen.

Wie aus einem Irrtum eine neue Zukunft entsteht, liest man in “Hasst er mich, mag er mich, liebt er mich, Hochzeit“: Johanna bricht in einen neuen Abschnitt ihres Lebens, ohne zu wissen, dass es zunächst nur ein Streich war, der sie zu diesem Schritt bewog.

Über das Nicht-Ausgesprochene entstehen oft Missverständnisse. In “Erbstücke” passiert genau das: die falschen Eindrücke bleiben so lange bestehen, bis es irgendwann zu spät ist, sie aufzuklären.

Die Kreationisten und deren Versuch, die Schöpfungsgeschichte aus der Bibel wortwörtlich als Gegenentwurf zur Evolutionstheorie in die Schulen zu bringen, ist Thema in “Trost“. Bigotterie gegen Wissenschaft (und das längst nicht mehr nur ein rein nordamerikanisches Problem).

Über die Erinnerungen an die Kindheit und eine Zuneigung, die die Zeit überdauert. Die Geschichte “Nesseln” könnte uns so oder so ähnlich selbst widerfahren sein.

Erzählt in spielerischer Leichtigkeit verleiten Munros Geschichte zum Eintauchen. Sie versucht nicht, Hintergründiges oder Tiefsinniges zu übermittteln, sondern zeichnet einfach Bilder, die zum Mit-Erleben einladen. Und genau das gelingt mit jeder einzelnen Ihrer Geschichten. Allen gemeinsam ist eine positive, hoffnungsvolle Stimmung, fernab der Untiefen, über die wir sowieso in den Nachrichten erfahren.

Oft könnte ich danach nicht einmal eine kurze Zusammenfassung des Inhaltes zu geben, immer aber kann ich berichten, dass ich mit Munros Charakteren gemeinsam viel erlebt habe:  Alltägliches, Sonderbares, Begegnungen, Veränderungen.

In diesen neun Erzählungen las ich viel über das, was das Leben für Menschen an Überraschungen und Schicksal mit sich bringen kann. Und beim Lesen habe ich immer wieder vergessen, dass ich gerade lese. Dann war ich mitten in den Geschichten und merkte gar nicht, wie ich umblätterte.

Das Buch ist gelesen, die Bilder und die positive Stimmung bleiben.
Und es bleibt wie immer der Eindruck, dass Alice Munro eine grandiose Erzählerin ist, einfach eine würdige Literatur-Nobelpreisträgerin *)

* im Gegensatz zu, sagen wir, gealterten Liedermachern mit nervendem Singsang.




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