Buchbesprechung/Rezension:

Katrin Unterreiner: Meinetwegen kann er gehen
Kaiser Karl und das Ende der Habsburgermonarchie

Meinetwegen kann er gehen
verfasst am 04.01.2018 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Geschichte, Unterreiner, Katrin
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Der letzte Kaiser der Donaumonarchie war unbestritten eine sehr unglückliche Figur. Nach dem Tod von Franz Joseph I musste er im Kriegsjahr 1916 den Thron eines Staates besteigen, dem von allen Seiten der baldige Untergang prophezeit wurde.

Immer wieder wurde und wird die Frage gestellt, ob die Chance bestanden hätte, die Doppelmonarchie noch zu erhalten, die im Jahr 1916 nur noch durch den alten Kaiser zusammengehalten wurde. Wäre Karl in der Lage gewesen, den drohenden Zusammenbruch zu verhindern? Im Jahr 2018, genau 100 Jahre nach dem Ende der Monarchie, werden wir zu diesem Thema sicher noch viel lesen, hören und sehen.

Kaiser Karl war auf sein Amt nicht vorbereitet. Da er erst nach dem Attentat auf den Thronfolger in Sarajewo an die erste Stelle der Thronfolge vorrückte, hatte es bis dahin niemanden gekümmert, ob Karl eine Ausbildung in den für einen Kaiser erforderlichen Bereichen erhielt. Auch in den noch verbleibenden zwei Jahren bis zu seinem Tod zeigte der alte Kaiser sehr wenig Interesse an einer Einführung seines Neffen in die Staatsgeschäfte; doch auch Karl selbst zeigte wenig Ambition.

Nach der Thronbesteigung wurde das junge Kaiserpaar zunächst noch positiv gesehen, man freute sich an dem offeneren Auftreten von Karl und Zita. Doch die Weiterführung des Krieges, unglückliche Entscheidungen, Karls Sprunghaftigkeit, die ihn öfters in für einen Kaiser unwürdige Situationen manövrierte (zB. Stichwort: Sixtus-Affäre) ließen sein Ansehen bald bei Adel, Militär und in der Bevölkerung auf einen Tiefpunkt sinken. Insbesondere wurde auch Zita wegen ihrer italienschen Wurzeln mehr und mehr angefeindet.

Das Buch ist eine Art Biografie, die sich jedoch nur mit Karls Zeit als Kaiser und danach befasst. Unterreiner stützt sich vor allem auf die Erinnerungen und Aufzeichungen von Menschen, die selbst zum inneren Kreis des Kaisers gehörten bzw. mit ihm in persönlichem Kontakt standen; darunter auch erst neu aufgearbeitete Quellen, die bis vor kurzem noch nicht zugänglich waren.

In der Gesamtsicht entsteht eine äußerst deprimierendes Rückschau, die Beschreibung von teilweise bizarren Vorgängen, die zu einem unwürdigen Ende der 640-jährigen Herrschaft der Habsburger führten. Ob diese Ende hätte verhindert werden können? Diese Frage bleibt offen; sicher scheint nur, dass es mit Karl an der Spitze unaufhaltsam war. Katrin Unterreiner zeigt einen jungen Mann – Karl war zu Zeitpunkt der Thronbesteigung 29 Jahre alt – der in keiner Weise als Kaiser taugte und in jeder Minute mit diesem Amt überfordert war. 

Es ist ein letztendlich ein vernichtendes Zeugnis für jemanden, der zwar Kaiser sein wollte, aber nicht wusste, wie er das bewerkstelligen sollte. Erst nach dem Thronverlust zeigte er Energie und den Willen, die Monarchie zu erhalten. Doch auch alles, was er dann unternahm war charakterisiert von Weltfremdheit, Selbstüberschätzung und Unvermögen.

So endet das Buch auch nicht mit dem Ende der Monarchie sondern beschreibt auch noch Karls vergebliche Versuche, in Österreich oder Ungarn wieder auf den Thron zu kommen.

Ist es ein ausgewogenes Bild, das Katrin Unterreiner zeichnet?

Wahrscheinlich gäbe es eine ganze Menge an Stimmen, die Karl als einen durch die Umstände verhinderten Heilsbringer ansehen. Der unsägliche und erzkonservative Bischof Kurt Krenn betrieb mit seiner “Kaiser-Karl-Gebetsliga für den Weltfrieden” die Seligsprechung Karls, die im Jahr 2004 sogar tatsächlich statt fand. Also wird es einige Leute geben, die Unterreiners Buch quasi als Blasphemie ansehen. Diese Seligsprechung ist aus meiner Sicht jedenfalls völlig deplaziert, denn was hatte der letzte Habsburger-Kaiser denn für den Weltfrieden getan?

Ob hingegen dieses Buch eine umfassende Charakterisierung bietet, kann ich nicht beurteilen, denn es fehlen darin die positiven Stimmen (so es sie damals gab).

Mit den neuen Quellen, die hier aufgearbeitet werden, neigt sich das Pendel jedoch scheinbar unumkehrbar auf die negative Seite.




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