Buchbesprechung/Rezension:

Franz Werfel: Jacobowsky und der Oberst
Komödie einer Tragödie in drei Akten

verfasst am 06.07.2012 | 1 Kommentar

AutorIn & Genre: Dramen, Werfel, Franz
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

In eine Zeit, in der das Lachen verschwunden war, stellt Franz Werfel die Geschichte zweier Flüchtlinge. Ein polnischer Oberst und ein deutscher Jude mit polnischen Wurzeln, auf waghalsiger Flucht durch das Frankreich des Jahres 1940. Eine Zeit ohne Lachen, von Werfel verdichtet zu einem Drama mit Witz und Humor.

Die Flucht von einem Kontinent, der beginnt im Würgegriff der Nationalsozialisten zu erstarren, kennt Werfel aus eigener Erfahrung. Ihn selbst führte etwa zur selben Zeit, in der sein Theaterstück spielt, sein Weg aus Österreich heraus zuerst nach Südfrankreich, später als die Nazis immer näher rückten, nach Amerika. Neben seinen eigenen Erfahrungen verarbeitete Werfel auch noch die Berichte des polnischen Bankiers Stephan S. Jakobowicz. Die Flucht aus dem besetzten Europa führte die beiden Männer 1940 in London zusammen.

Es beginnt mit dem Zusammentreffen von Oberst Stjerbinsky, dessen Diener Szabuniewicz und Jacobowsky im Keller eines Hotels in Paris. Polen ist bereits unter das Regime der Nazis gefallen und alle hatte die Hoffnung nach Paris geführt, hier vor den Deutschen in Sicherheit zu sein. Doch die rücken unaufhaltsam vor, manche hoffen noch, es wäre wie im 1. Weltkrieg, als der Feind vor den Toren der Stadt aufgehalten werden konnte. In der Ferne hört man bereits den Kanonendonner.

Das Vorhaben, die Stadt und überhaupt das Land so schnell wie möglich zu verlassen, bringt die ungleichen Männer zusammen. Der Oberst, Soldat durch und durch, mit nichts als Verachtung für seinen jüdischen Begleiter, dafür aber mit nicht enden wollender Verehrung der Frauen ausgestattet. Jacobowsky, der hilfsbereite, bescheidene dem selbst in ausweglosen Situationen immer eine Lösung einfällt.

Mit einem alten Wagen – organisiert und bezahlt natürlich von Jacobowsky –  den der Oberst mehr schlecht als recht steuert, machen sie sich, wie Jacobovsky meint und hofft, zum nächstgelegenen Hafen auf. Doch obwohl der Oberst höchst wichtige Dokumente im Gepäck hat, die umgehend nach London müssen, hat er andere Pläne. Er wählt zuerst einen mehrtätigen Umweg um die angebetete Marianne zu holen und sie mit ins Exil zu nehmen.

Folgerichtig erreichen sie in den ersten Häfen, die sie anfahren kein Schiff mehr und überdies rücken die Deutschen immer näher. Während ihrer Irrfahrt muss der Oberst mehr und mehr erkennen, dass seine militärischen Kenntnisse und sein Verhalten rein gar nichts zur Flucht betragen können. Jacobowsky hingegen ist derjenige, der immer wieder für Unterkunft, Verpflegung und Benzin sorgt und überhaupt das gesamte Vorhaben voran bringt. Ja selbst der tägliche Strauss Rosen für Stjerbinskys Geliebte fehlt nicht.

Das ist für den kampfgestählten Soldaten der alten Schule zu viel, er fordert Jacobowsky zu Duell. Mitten im Krieg, praktisch von allen Seiten durch die schnell vorrückenden Deutschen bedroht, sieht der Oberst seine Ehre gekränkt und besteht auf Satisfaktion. Jacobwosky, der ewigen Anfeindungen und Herabwürdigungen durch den Oberst leid, nimmt die Herausforderung schließlich an.

Bevor es jedoch zu diesem irrwitzigen Duell kommt, nimmt der Feind die vier Flüchtlinge gefangen. Erneut ist es Jacobowsky, der mit einem Geistesblitz dem Oberst und damit der ganzen Gruppe das Leben rettet. Nicht nur das, er nutzt sogar diese scheinbar ausweglose Situation, um einen Vorteil für die Flüchtlinge heraus zu schlagen.

Nicht oft geschieht es, dass aus einem genialen Theaterstück ein großartiger Film wird. Danny Kaye und Curd Jürgens verkörpern grandios die beiden Hauptdarsteller in dem Film aus dem Jahr 1958. Damit machte der Film das Theaterstück, sein Thema und den Autor Franz Werfel auch weit über die Literatur- und Theaterszene hinaus bekannt. Das ist etwas, das man Hollywood nicht hoch genug anrechnen kann.

Die Uraufführung dieses Stückes erfolgte im Oktober 1944 in Bern. Weniger als ein Jahr später, am 26. August 1945,  starb Franz Werfel im Alter von nur 54 Jahren in Beverly Hills an Herzversagen. Er starb in Freiheit und er hatte den Untergang des Bösen noch miterleben können.

PS: die vorliegende Taschenbuchausgabe basiert auf einer Erstausgabe im Jahr 1962. In den dazwischenliegenden Jahrzehnten haben sich ein paar Fehler eingeschlichen (oder waren diese von Anfang an dabei?) – eine Überarbeitung samt Entfernen der Druckfehler im Falle einer Neuauflage bietet sich an.




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