Alexander Bartl: Der elektrische Traum
Fortschrittsjahre oder eine Gesellschaft unter Strom
Autorin/Autor: Bartl, Alexander
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Gertie
Nach seinem Buch „Walzer in Zeiten der Cholera“ entführt uns Autor Alexander Bartl wieder in das 19. Jahrhundert. In diesem Sachbuch bringt er uns den Aufstieg der Elektrizität näher. Es ist eine spannende Zeit des Umbruchs. Zahlreiche Erfindungen verbessern den Alltag, machen allerdings auch vielen Menschen Angst.
Nach seinem Buch „Walzer in Zeiten der Cholera“ entführt uns Autor Alexander Bartl wieder in das 19. Jahrhundert. In diesem Sachbuch bringt er uns den Aufstieg der Elektrizität näher. Es ist eine spannende Zeit des Umbruchs. Zahlreiche Erfindungen verbessern den Alltag, machen allerdings auch vielen Menschen Angst. Versuche mit Zitteraalen sowie die „magischen Kuren“ von Franz Anton Mesmer (1734-1815) sind schon seit geraumer Zeit in manchen Salons Zeitvertreib für Vermögende.
Der Ausbau der Elektrizität in öffentlichen Gebäuden wird durch eine Reihe von Bränden bekannter Theater eingeleitet. Neben dem Brand des Theaters in Nizza im März 1881 ist es der Brand des Wiener Ringstraßentheaters im November desselben Jahres, der mehreren Hundert Menschen das Leben gekostet hat, der den Siegeszug der elektrischen Beleuchtung antreibt. Der Brand in Wien ist, neben organisatorischen und baulichen Mängeln (fehlende Trennung von Bühne und Zuschauerraum, enge, mit brennbaren Materialien ausgestattete Stiegenhäuser und nach innen aufgehende Ausgänge), vor allem auf die Beleuchtung mit Leuchtgas zurückzuführen, die zusätzlich noch schlecht gewartet worden ist.
Aufgrund undichter Gasleitungen unter der Erde und in den Häusern sind Explosionen und Brände fast schon an der Tagesordnung.
In den Jahren zuvor ist elektrisches Licht als Spielerei für Reiche abgetan worden illuminiertes Vergnügen. Sein Erfinder und Verfechter Thomas Alva Edison wird nicht müde, seine technische Errungenschaft zu loben, zu verbessern und die Menschen von der Nützlichkeit zu überzeugen.
Manch einer der Gasproduzenten (Gas wird aus Kohle gewonnen) sieht in der Elektrizität mehr Vorals Nachteile, dennoch will man sich schon aus Prinzip nicht vom gefüllten Futtertrog des Monopols vertreiben lassen.
»Es ist inakzeptabel, dass irgendein zweifelhafter Wettbewerber das Recht der Gasgesellschaften verletzt, Straßen und Häuser zu beleuchten. Denn das ist allein ihr Vorrecht, aus Tradition und aus Prinzip.«
Meine Meinung:
Alexander Bartl versteht es sehr gut, die Forschungen von Thomas Alva Edison und seinen Mitarbeitern darzustellen. Wir erhalten Einblick in die oft mühevollen Forschungsarbeit, die in Amerika vor sich geht. Edison holt sich Experten wie einen Glasbläser aus Europa, experimentiert mit allen möglichen Materialien, um einen beständigen Glühfaden zu erhalten.
Alexander Bartl verschweigt allerdings auch nicht, dass Edison ein manchmal schwieriger Mensch war. Die technischen Details, die dem elektrischen Strom zum Sieg über das Leuchtgas verhelfen, sind gut beschrieben. Ebenso können sich die Leser ein Bild von den gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen der Umstellung auf elektrische Beleuchtung machen. Natürlich wird es noch Jahrzehnte dauern, bis die Elektrizität im kleinsten Winkel der Welt angekommen ist. Es ist faszinierend zu erfahren, welche Vorbehalte die Menschen damals der Elektrifizierung gegenüber hatten. Gleichzeitig war man aber von dieser neuen Erfindung so fasziniert, dass es zum guten Ton gehört hat, Strom-Partys zu veranstalten und dafür kaum Kosten und Mühen scheute.
Wir erfahren vom erbitterten Streit zwischen Thomas Alva Edison und George Westinghouse, einem weiteren Strompionier, um auf Frage, ob „Gleichstrom“ oder „Wechselstrom“ sicherer sei. Edisons Mitarbeiter Harold Brown hat sogar einen elektrischen Stuhl konstruiert. Zunächst als „Party-Gag“ verwendet, findet er wenig später (1889) als „humanes“ Vollstreckungsinstrument der Todesstrafe in Amerika seine Verwendung.
Dieses Buch ist, wie schon zuvor „Walzer in Zeiten der Cholera“ akribisch recherchiert. Neben dem technischen Teil über die Elektrizität, Batterien, Glühlampen und den Schwierigkeiten bei der Herstellung derselben, erhalten wir Einblick in das gesellschaftliche Leben dieser Zeit. Dem künstlerischen Schaffen sowie den finanziellen Problemen des Direktors des Carl-Theater in der Leopoldstadt Franz Jauner, der später Direktor des Ringtheaters werden wird, widmet der Autor seine Aufmerksamkeit.
Die historischen Fakten sind geschickt mit den technischen Details verknüpft. Auszüge aus Zeitungsberichten und/oder Korrespondenz vervollständigen das lebendige Bild dieser Zeit wie dieses Zitat aus „Der Bautechniker“ vom 2. März 1883 zeigt.
»Die Gasgesellschaften bringen nämlich den Verlust, den ihnen das vordringende elektrische Licht verursacht, dadurch wieder herein, daß sie das Gas in erhöhtem Masse zu Heizzwecken verwenden. Durch diesen Anstoss ist übrigens eine solche Zahl nützlicher Heizapparate construirt worden, daß sich auch in dieser Richtung eine neue Aera eröffnet, indem nämlich in der Zukunft immer mehr die Heizung der Herde, ja sogar der Oefen mittelst Gases bewerkstelligt werden wird.«
Man sieht, die Inhaber der Gasgesellschaften sind keine Sozialfälle geworden.
Schmunzeln musste ich, als sich ausgerechnet Brünn, die kleine Industriestadt, damals nicht gerade schmeichelhaft als „Manchester von Mähren“ bezeichnet, mit der Auszeichnung, das erste vollständig elektrische Theater zu haben, schmücken durfte. Paris, Wien, Berlin oder München alle wurden sie vom Stadttheater Brünn, das sein ebenfalls im Jahr 1881 abgebranntes Theater durch einen Neubau ersetzen ließ, ausgestochen. Herrlich! David gegen Goliath!
Ergänzt wird das Buch durch kurze Biografien jener Personen, die bei der Verwirklichung des elektrischen Traums maßgeblich mitgewirkt haben bzw. davon betroffen waren.
Fazit:
Gerne gebe ich dieser fesselnd erzählten Geschichte rund um den „elektrischen Traum und der Gesellschaft unter Strom“ 5 Sterne und eine Leseempfehlung.