Frank Lauenroth: New York Run
Der zweite Marathonthriller
Autorin/Autor: Lauenroth, Frank
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
Wenn einer schon Stalin heisst! Von denen ist einer wie der andere! Über Leichen zu gehen ist mit so einem Namen nicht die Ausnahme sondern die Regel und schlechtes Gewissen dabei zu haben: Fehlanzeige. Und ausserdem weiss man nach der Lektüre dieses Thrillers, dass Laufen nicht einmal halb so gesund ist, wie alle immer sagen.
Einer wie ich, der den ersten Marathon-Thriller nicht gelesen hat, braucht erst einmal eine Weile, um sich in die Besetzungsliste dieses Buches hinein zu finden. Da sind einmal Christopher Johnson und Brian Harding, die hatten ihren ersten großen Auftritt schon beim Boston-Marathon. In diese neue Geschichte sind sie geraten, weil sie einem reichen Russen – Stalin – ein Wundermittel zur Leistungssteigerung verkauft haben.
Stalin aber ist über die Nebenwirkungen der teuer eingekauften Substanz wenig erfreut und nimmt sich die beiden zur Brust. Dabei lernt man, dass die Methoden aller Mafias (!) der Welt, ob gestern oder heute, immer gleich sind: Beton an die Füße oder eine Bombe unter den Hintern und das Problem ist erledigt.
Stalin (Typ moderner Oligarch) möchte sich ein wenig von diesen Traditionen lösen und denkt sich etwas neues aus: wie wäre es denn, die beiden als lebende Bomben durch New York laufen zu lassen? Seine Innovation ist eine Mischung der bewährten klassischen Techniken und nennt sich „Bombe unter die Füße“.
Weil der für ihn so unbefriedigend verlaufene Deal auf den Caiman Inseln stattgefunden hatte, lässt Stalin die beiden (vormals Lieferanten, nun Gefangenen) in einem High-Tech Container nach New York transportieren, gewissermaßen in einer Frischhaltebox für ruhiggestellte Langläufer. Dort bekommen sie Laufschuhe an die Füsse geschnallt, in denen 2 Gemeinheiten verpackt sind: 1. man kann sie nicht ausziehen und 2. eine integrierte Bombe sorgt dafür, dass man in die Luft fliegt, sollte man aufhören zu laufen. Oder dann, wenn Stalin es will (ja, auch das ist irgendwie eine historische Parallele). Na Bumm!
Zu Beginn des Buches hatte ich mehrmals das Gefühl, etwas überlesen zu haben. Da fehlte mir auf einmal eine Information, da ging es plötzlich anders weiter, als es zuvor geendet hatte. Aber Frank Lauenroth empfiehlt ja schon zu Beginn, sein erstes Buch vorab zu lesen (was ich nicht habe), dann würde man vieles gleich und besser verstehen.
Was ich aber aber schon einmal verstanden zu haben glaubte ist, dass Christopher und Brian auf einer Fahndungsliste des NSA standen oder stehen. Ein Auftritt beim New-York-Marathon, dann noch an der Spitze, wie Stalin es forderte und das alles vor laufenden Kameras, live im TV: das konnte nur dazu führen, dass irgendein Agent die beiden früher oder später erkannte.
Bis zu diesem Zeitpunkt (so nach 40,50 Seiten) war ich mit dieser Lesesituation (noch) recht unzufrieden, die Hintergründe nur erraten zu können. Was war das für ein Deal mit Stalin, der den so rachsüchtig hatte werden lassen? Warum stehen die beiden auf den Fahndungslisten der Geheimdienste? Verfolgt Stalin mit seinen beiden Bombenläufern nur das Ziel der persönlichen Rache und will sie deshalb der NSA quasi auf dem Silbertablett servieren? Oder hat er noch etwas anderes vor – Bomben, mitten nach New York hineingetragen, könnte man auch auch für andere Gemeinheiten verwenden? etc. etc.
Aber, und damit ist nicht zu viel verraten: ein Marathon dauert lange genug, um in dieser Zeit solche und ähnliche offenen Fragen zu klären und auch die fehlenden Hintergrund-Informationen nachzuliefern.
Die Entdeckung kommt schneller als befürchtet. Schon nach ein paar Kilometern flimmert Christophers Kopf über die Bildschirme und damit auch vor die Augen der NSA. Pech! Schnell merkt man dann, dass man für die Aufnahme in die NSA einen Studienabschluss braucht. Denn diese Leute schlagen nicht sofort zu, sie überlegen erst, was dieser provokante Auftritt zu bedeuten habe.
Ausser Atem:
Langsam aber sicher steigert sich das Tempo. Mit immer mehr Informationen wird das Bild immer dichter. Man hat fast das Gefühl, man befindet sich in einem Thriller klassischen Zuschnitts (aus der Zeit des Kalten Krieges), der auch ein wenig von „Mission Impossible“ hat. Nur geht es eben statt um Ost-West-Spionage um zeitgemäßere Konfliktthemen.
Dabei entwickelt sich die eine oder andere Sache ein wenig zu rasant, hat man manchmal Mühe, den Handlungs- und Informationssprüngen zwischen einzelnen Abschnitten zu folgen und ist man auch dann und wann erstaunt, wie schnell (eigentlich: wie blitzartig) einzelne Leute zu 100%ig passenden Erkenntnissen und Lösungen gelangen. Diese Sprünge und auch manch ein Hoppala in der Chronologie lassen die Handlung gelegentlich ein wenig holpern. Aber das kann passieren und ist leicht zu verzeihen, denn das ganze Buch legt ein enormes Tempo vor und wartet mit jeder Menge überraschender Wendungen auf.
Das Wichtigste ist: es ist wirklich eine rasante und prickelnde Story, die Frank Lauenroth da abliefert. Durchgehende Temposteigerung von Anfang bis Ende inklusive. Und gelegentliche Atemlosigkeit inklusive – nicht aus Solidarität mit den LäuferInnen sondern weil man selbst hin und wieder vor lauter Spannung die Luft angehalten hat.
PS: am Ende hatte ich alles verstanden, auch ohne „Boston Run“ gelesen zu haben – könnte aber nicht schaden, das nachzuholen.