Buchbesprechung/Rezension:

André Aciman: Ruf mich bei deinem Namen

verfasst am 10.11.2014 | 1 Kommentar

AutorIn & Genre: Aciman, André, Romane
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Vielleicht die grösste Schwierigkeit über André Acimans eleganten Roman „Ruf mich bei deinem Namen“ zu reden ist, diesen nicht durch die etwas pauschal klingenden Genres zu erschlagen, in die er sicherlich äusserlich passt. Die Begriffe Sommerromanze oder Gay Lit rufen besonders qualitativ völlig falsche Assoziationen hervor, die jedoch rein formal auf den Roman zutreffen mögen.

„Ruf mich bei deinem Namen“ ist die Geschichte der Liebe des 17 jährigen Eliot und des 24 jährigen Oliver, die Mitte der 80er Jahre einen kurzen gemeinsamen Sommer im Haus von Eliots Eltern an der italienischen Mittelmeerküste verbringen.

Der nun 20 Jahre ältere Eliot erzählt uns die Geschichte vom Sommeraufenthalt des jungen Akademikers Oliver im Haus seiner Eltern. Wir folgen ihm durch einen anfänglichen Wechsel aus Distanz und Nähe, aus Verzweiflung und Hoffnung bis hin zum Eingeständnis und dem Leben ihrer gegenseitigen Liebe. Nach wenigen kurzen Wochen und ein paar letzten Tagen in Rom, läuft Olivers Zeit in Italien ab und er kehrt zu seinem eigentlichen Leben, ohne Eliot, nach Amerika zurück.

Aciman gelingt etwas, das ganz zentral ist für das Schaffen von guter Literatur, er lässt Eliot die richtige Sprache finden um seine Geschichte zu tragen. Klare, schöne Sätze fassen eine Welt die nur wenig Realismus braucht oder zulässt. Aciman interessieren keine äusseren Umstände, sondern das Innenleben seiner Protagonisten. Und so ist die eigentliche Handlung des Romans eine Innere, welche in der Sprache ihres Autors lebt. Einfache, poetische Sätze konstruieren einen Ort, der ganz explizit als Paradies ausgewiesen wird, losgelöst von allen anderen.

Die Zeitlosigkeit seiner Worte führt uns in eine Welt, die so heute, genau wie vor hundert Jahren existieren könnte. Gebettet in ein Leben in Sommer und Meer, verbringen Eliot und Oliver ihre Tage mit klassischer Musik, Literatur und Philosophie. In weiten Strecken ist der Roman die romantische Phantasie eines Intellektuellen. Jedoch, was für manchen abfällig klingen mag, ist sicher nicht so gemeint. Wenn auch weitestgehend eine Phantasie, so ist die Welt von „Rufe mich bei deinem Namen“ doch eine durchaus gelungene. Die einzigen Sollbruchstellen die Acimans Sprache kennt, liegen in den Schilderungen der Liebesszenen. Hier wird der Autor immer wieder überaus graphisch in seinen Darstellungen, sowie in einzelnen Worten mithin sehr explizit, und verrät schlussendlich den Roman so doch als Werk des 21. Jahrhunderts.

Acimans Roman ist aber nicht nur die Geschichte der Liebe zweier Männer und die sexuelle Coming-of-Age Story des jungen Eliot, sondern auch eine Meditation über Liebe und Zeit. Zeit ist im Hauptteil des Buches, während des gemeinsamen Sommers in Italien, auf merkwürdig duale Weise präsent. Einerseits durch ihre Abwesenheit: Eliot und Oliver scheinen nicht nur in Raum, sondern auch in Zeit der restlichen Welt entrückt. Andererseits ist Olivers Aufenthalt vom ersten Tag ein befristeter und so kennen beide vom ersten unsicheren Aufkeimen ihrer Liebe den Tag, an dem die Zeit sie wieder trennen wird. Im Schlussteil des Buches, als sie sich im Heute, 20 Jahre nach ihrem Sommer, für einen kurzen Abend wieder treffen, wird dem Leser bewusst, was die Zeit mit beiden Männern und ihrer Liebe gemacht hat. Wir erfahren den Schmerz ihrer nie zu Ende, nie in der Realität gelebten Liebe und sehnen uns mit ihnen nach ihrem Paradise Lost.

Auch diese letzte Szene steht als Zeuge für Acimans Könnens. Anstatt der Schilderung einer letzten verzweifelten Liebesnacht, steht Stille „There was nothing to say.“ Und anstatt Handlung, Sprache und Erklärungen tritt abermals Introspektion und ein einfaches stilles Erinnern. „I remember everything“, sind die letzten Worte die in Acimans kleinem grossen Roman gesprochen werden.

Sicher war er auch zuvor kein Unbekannter der amerikanischen Literaturszene, dennoch ist es beachtlich, was 2007 der 56 jährige André Aciman mit „Ruf mich bei deinem Namen“ für einen Debütroman vorgelegt hat. Auch wenn die Leichtigkeit von Acimans Sprache die eigentliche Komplexität seines Werkes zeitweise verdeckt, muss man dennoch den Hut ziehen vor einem Werk, das so viel zeitlose Eleganz und Ästhetik beweist.




RSS-Feed für Kommentare zu diesem Beitrag 1 Kommentar


  • Kommentar von  autumnprincess85 am 18.11.2014 um 01:06 Uhr

    Sehr geehrter Herr Haas,

    mit großem Interesse habe ich Ihre Rezension zu „Ruf mich bei deinem Namen“ gelesen. Gut gegliedert und verständlich, stellen Sie mehrere Deutungsebenen und die allgemeinen Stilzüge des Romans vor. Um diesen Stil zu veranschaulichen wäre es schön, wenn Sie ein bis zwei weitere Zitate einfügen. Verwirrend finde ich nur den Satz „Wenn auch weitestgehend eine Phantasie, so ist die Welt […] doch eine durchaus gelungene“. In gewisser Weise wirkt die beschriebene Welt nämlich doch misslungen, weil sie völlig raum- und zeitenthoben ist, und das ist genau die Art von „Misslingen“, die man von einem „Intellektuellen“ via Vorurteil auch erwarten würde. In jedem Fall reizt mich Ihr Kommentar, diese Geschichte über sinnliche und intellektuelle Anziehung im Schatten des Vergänglichen selbst zu lesen!


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