Buchbesprechung/Rezension:

Johannes Krause, Thomas Trappe: Die Reise unserer Gene
Eine Geschichte über uns und unsere Vorfahren

Die Reise unserer Gene
verfasst am 07.08.2019 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Krause, Johannes, Naturwissenschaft, Trappe, Thomas
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

In weiten Teilen ist das für mich das spannendes Buch über Naturwissenschaften, das ich seit langem gelesen habe. Die Mischung aus Fakten und Spannung funktioniert deshalb so ausgezeichnet, weil sich hier ein Wissenschaftler (Krause) und ein Wissenschaftsjounalist (Trappe) zusammengetan haben.

Heraus gekommen ist ein einerseits ungemein lehrreiches Buch über den derzeitgen Stand der Wissenschaft und andererseits so etwas wie ein historischer Roman über das Entstehen der heutigen Menschen Europas, basierend auf den erst kürzlich entschlüsselten Wanderungsbewegungen der letzten Jahrtausende.

Der Anstoß zum Schreiben dieses Buches kam, wie im Vorwort zu lesen ist, während des Jahres 2015, als in Folge der Kriege und des Wütens der islamistischen Terroristen in Syrien und im Irak zehntausende Flüchtlinge nach Europa drängten und als die Nationalisten und rechtsextremen Bewegungen gewaltigen Auftrieb erhielten (mehr, als sie es zuvor schon hatten – denn Leute wie Haider, Le Pen, Wilders, Strache gab es natürlich auch schon vor 2015).

Ein Ziel des Buches war es somit auch zu zeigen, dass Diversität und die Entwicklung der Gesellschaft aus unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen auch aus weit entfernten Weltgegenden zur Chrakteristik des “Homo Europäinensis” gehören. Ohne regelmäßige Zuwanderungen gäbe es uns alle in unserer heutigen Gesellschaftform und Kultur nicht.

Wie es zur wissenschaftlichen Basis für dieses Wissen kam und wie rasant sich dabei die Forschung mit Hilfe revolutionärer Techniken zur DNS-Analyse in den letzten Jahren entwickelt hat, ist der fachliche Inhalt dieses Buches. Verblüffend zu lesen, wie sich die Bausteine über die Jahrtausende hinweg zusammensetzen lassen.

“Die Reise unserer Gene” beginnt vor rund 600.000 Jahren mit der Analyse der zu jener Zeit tatsächlich existierenden Menschenarten und endet (im Buch) kurz vor unserer Jetztzeit. Je nach Zeitraum sind es entweder kleine und kleinste Fundstücke oder ganze Massengräber, aus denen die Wissenschaft heute Informationen zu Themenbereich herausfiltern kann, zu denen noch zu Beginn der 200er-Jahre man maximal Vermutungen anstellen konnte.

Die Quellen unserer Sprache und eine historische Betrachtung der Seuchen, die die Menschen zu allen Zeiten verfolgten, ergänzen die Kapitel, die von der Analyse der DNS der Menschen und  unserer (zwischenzeitlich ausgestorbenen) Verwandten handeln.

Das alles fand ich – und wiederhole mich dabei – ungemein spannend und lehrreich!
Großartig!

Wenn dieses Buch nun in weiten Teilen großartig ist, so verfehlt es sein Ziel in einem Bereich völlig: nämlich zu zeigen, dass wir ohne Wanderungsbewegungen niemals das geworden wären, was wir heute sind, dass Vielfalt in unseren Genen tief verankert ist.

Denn Krause und Trappe versuchen im letzten Kapitel mit recht untauglichen Mitteln daraus ein Plädoyer zu machen für den humanen Umgang mit Menschen, die zu uns geflüchtet sind. Wenn nun die Zielgruppe für dieses Plädoyer genau jene sind, die sich von den Rechtspopulisten bereitwillig instrumentalisieren lassen, so wird man genau niemanden aus dieser Gruppe damit erreichen.

Denn genauso, wie man Argumente für Vielfalt im Buch finden kann, so findet man auch Gründe dafür, gegen jedwede Migration zu sein. Das Schlusskapitel trägt dann eher  Verwirrung bei (auch zu meiner), als klare Gründe zu liefern.

Es wäre aus meiner Sicht besser gewesen, diesen Teil des Buches einfach weg zu lassen. Die reinen Fakten sind schon fesselnd genug, für eine politische und/oder moralische Aufarbeitung – so wie die Intention der Autoren gewesen wäre – gäbe es andere Möglichkeiten und vor allem auch bessere Argumente, als die hier nieder geschriebenen.

Zu diesem ganzen Themenbereich hätte für dieses Buch aus meiner Sicht ein einziges Faktum genügt, um dem ganzen widerlichen Gerede von Rasse und Rasseunterschieden entgegen zu treten: das es eben keine genetischen Unterschiede gibt.

Aber auch das wird Rassisten wie Donald Trump, Thilo Sarazzin, Bernd(!) Höcke, Orban oder Salavini wohl auch nicht von ihrem abstoßenden Treiben abhalten.

Die Bewertung für den Faktenteil: 5 Sterne.
Die Bewertung für den Rest: 3 Sterne.




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