Hubert Friedrich: Reifeprüfung in Prag
Autorin/Autor: Friedrich, Hubert
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Sirod
August 1968 – eine Gruppe von jungen Leuten aus der DDR – sie hatten gerade ihr Abitur gemacht, ihre Reifeprüfung – reist nach Prag, um an dem Demokratisierungsprozess unter Alexander Dubcek, dem Prager Frühling, vor Ort teilzuhaben.
Dieser aufkeimende Prozess eines demokratischen Sozialismus ist für die Mädchen und die jungen Männer ein Hoffnungsschimmer, dass sich etwas davon auch in die DDR übertragen lässt. Der Prager Frühling weckt Hoffnungen auf eine bessere Zukunft. Voll Enthusiasmus beobachten sie den unglaublich rasant fortschreitenden Prozess der Demokratisierung. Pressefreiheit, freie Meldung im Rundfunk – für die DDR`ler nahezu unvorstellbar.
Langsam braut sich aber ungeheuerliches um die Tschechoslowakei herum auf. Die so genannten Bruder-staaten , deren Wortführer ganz besonders die DDR ist, planen dem „Brudervolk“ zu Hilfe zu kommen, um deren Bestrebung nach Demokratisierung entgegenzuwirken.
Für die Bruderstaaten waren die Menschen nur irregeleitet und mussten wider auf den rechten weg zurückgeführt werden.
Die DDR, unter damaliger Führung von Walter Ulbricht, versucht mit allen Mitteln die lückenlose Macht über die Menschen, den Einfluss auf deren Leben zu erhalten. DDR-Spione wurden nach Prag geschickt, um das „Brudervolk“ zu beobachten, auszuspionieren. Einer dieser Männer scheut auch nicht davor zurück, seine eigene Schwester mit einer Pistole zu bedrohen.
Und dann kommen sie angerollt, die militärischen Fahrzeuge. Bald sind alle Straßen besetzt. 600 000 Soldaten besetzen das Land, Luftlandetruppen als Unterstützung.
Nach kurzem Widerstand der Prager Bevölkerung ist der Traum von einem demokratischen Sozialismus ausgeträumt. Der Wenzelsplatz wird zum Symbol des Widerstands. So wie 1956 in Budapest nach deren Freiheitsbemühungen, nach dem Einmarsch der Russen, viele Ungarn aus ihrem Heimatland geflohen sind, folgen jetzt an die 100 000 Tschechen. Viele davon kamen nach Österreich.
Hubert Friedrich erzählt in seinem Erstlingsroman die Geschichte von jungen Leuten in der DDR über ihr Erwachsenwerden. Die männliche Hauptperson Eddie und seine Freunde interessieren sich hauptsächlich für Mädchen und Parties. Sie zweifeln nicht an der Idee des Kommunismus, sie kommen aber nicht mit dessen Ausführung durch den Machtapparat des Staates zu Recht. Eddie und die Referendarin Linda begehen den fatalen Fehler sich in einander zu verlieben. Eine Romanze, die unter keinem guten Stern steht, die zu keinem Happyend führt.
Die Stasi erpresst Linda mit dieser Affäre. Dramatisch wird die Grenze persönlicher Freiheit aufgezeigt. Sie soll ihren Freund bespitzeln. Da und dort kommen bei den jungen Leuten Fluchtgedanken auf. Gedankenfreiheit gibt es in diesem Teil von Deutschland nicht .Privatleben, allgegenwärtig durch den Schatten des Staatsapparates begleitet, erschwert den jungen Leuten ein unbeschwertes erwachsen werden.
Friedrich vergisst in seinem Buch aber auch nicht auf Humor und Freizeitgestaltung mit Rockmusik, nach dem Geschmack der Mädchen und Burschen, vorbei an den Stasispitzeln. Immer mit dem Risiko behaftet, entdeckt zu werden, bestraft zu werden, ins Gefängnis zu kommen.
Dieser Roman führt uns vor Augen, welche Macht Menschen ausüben können, zeigt uns aber auch auf, dass letztendlich der Freiheitsdrang siegt. Reifeprüfung in Prag ist ein sensibles , aufregendes, spannendes Buch, das uns mit der jüngeren Vergangenheit Europas konfrontiert, und hoffentlich dankbar sein lässt, dass wir in einem freien Land leben.
Lesen Sie dieses Buch. Menschen in meinem Alter haben die Zeit des eisernen Vorhanges noch miterlebt. Es ist gut zu wissen, das es möglich war sich aus den Fesseln der Diktatur zu befreien. Möge es auf der Krim und in der Ukraine gelingen es gar nicht zu einer solchen Auseinandersetzung kommen zu lassen, wie 1968 in Prag.