Mary Beard: SPQR
Die tausendjährige Geschichte Roms
Autorin/Autor: Beard, Mary
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
Es ist (auch) ein Einblick in die Arbeit von Archäologie und Historikern:. Wie aus kleinen Hinweisen und Zufallsfunden Geschichte geschrieben werden kann. Oder wenn es nicht möglich ist, aus Überlieferungen das herauszufiltern, was auf Tatsachen beruht.
Den die ältesten einigermaßen verwertbaren schriftlichen Aufzeichnungen entstanden allesamt erst ein halbes Jahrtausend nach der legendenumwobenem Gründung Rom durch Romulus und Remus. Demnach wäre das genau der 21. April 753 v. Chr. gewesen.
Mayr Beard arbeitet sich gewissermaßen aus der Zeit Ciceros zurück und kommt so nach Durchsicht und Bewertung der Überlieferungen immer näher an den Beginn des römischen Weltreiches heran. Ein überaus interessanter Aspekt dabei ist, wie die zeitgenössischen Historiker die römische Geschichte sahen, wie der jeweilige Zeitgeist den Blick auf die frühen Jahrhunderte beeinflusste.
So viel ist klar, dass der Ursprung Roms, wie er auch zum anerkannten Gründungsmythos des späteren Weltreiches wurde, ist genau das ist: eine Legende, ein Mythos. Wie jede Legende wird aber auch diese auf einem realen Geschehen basieren, das jedoch mangels belastbarer Quellen wohl für immer im Dunklen bleiben wird.
Auf dem Mythos baute, das ist eindeutig, das Selbstverständnis der Römer auf, wenn sie von ihrem Staatswesen, ihrer Verwaltung, ihrem Eroberungsdrang und ihrem politischen System sprachen. Mit der Sage, dass Romulus den Remus erschlug, begründeten sie die Unvermeidlichkeit der immer wieder aufflammenden interne Konflikte, die in Verschwörungen, Morden und Bürgerkriegen endeten. Das System der Wahl von Tribunen (mit unserer heutigen Demokratie nicht vergleichbar, auch wenn man in Rom denselben Namen dafür verwendete) wurde auf die Vertreibung der frühen Könige zurückgeführt, um nur zweite Beispiele zu nennen.
Je näher sich die Geschichte dem Beginn unserer Zeitrechnung nähert, desto umfangreicher und detaillierter werden die Dokumente, die erhalten sind. Deshalb ist das Wissen über beispielsweise die Punischen Kriege gegen Karthago so umfangreich, wenn auch dieser Umfang natürlich lange nicht mit einer heutigen Geschichtsschreibung vergleichbar ist.
Immer wieder sucht Mary Beard zu wichtigen Ereignissen noch mehr Informationen, versucht, herauszufiltern, was reale Geschichtsschreibung und was patriotische oder politisch eingefärbte Umdeutung ist. Wenn es auch schwierig bis unmöglich ist, in jedem Fall die 100%ig gesicherte Realität zu ermitteln, so hält man am Ende doch eine Chronik in Händen, die detaillierte Analysen und Bewertungen enthält, als man sie gewöhnlich zu lesen bekommt.
Breiten Raum nehmen die unzähligen (und in allen Phasen stattfindenden) blutigen Auseinandersetzungen in Inneren ein. Wer war Römer, wer hatte somit alle Rechte eines vollwertigen Bürgers, ein Thema, das, ganz ähnlich wie bei den Auseinandersetzungen über die Verleihung einer Staatsbürgerschaft heutzutage, für heftige Konflikte sorgte. Rom als Einheit entstand erst als Folge von Mord und Bürgerkrieg und verlief keineswegs linear. Es gab auch auf der italienischen Halbinsel, also in der Nachbarschaft Roms, mehrmals Versuche, die als Besetzung empfundene Dominanz Roms gewaltsam zu beenden.
Man verfolgt, wie sich das Einflussgebiet Roms immer weiter ausdehnte, mit welchem Methoden neue Gebiete eingenommen und dann in das Reich aufgenommen wurde, wie die Gesellschaft mit der Größe des Reiches veränderte. Man liest, wie die Expansion an Grenzen stieß; nicht nur an Landesgrenzen, sondern auch an die Grenzen die Organisation dieses in seiner größten Ausdehnung gewaltigen Staatsgebietes. Auch wenn dazu naturgemäß die Quellen etwas spärlicher sind, ist neben den Informationen über Politik, Kriege und führende Persönlichkeiten auch einiges über den Lebensalltag der Römerinnen und Römer zu lesen. (Als Ergänzung dazu gibt es ein paar anschauliche 3D-Animationen mit Ansichten des alten Roms: www.youtube.com, www.youtube.com)
Es nahm Jahrhunderte in Anspruch, bis das entstanden war, was wir heute als das Römische Reich kennen. Ein zentrales Thema dabei, anhand von überlieferten Dokumenten und archäologischen Fundstücken sehr detailliert recherchiert, ist der Übergang von der Republik zur Herrschaft der Kaiser, der schon vor der Ermordung Caesars begann.
Das Vermächtnis des Römischen Reiches ist in vielen Belangen bis heute zentraler Bestandteil unseres Lebens. Das Rechtssystem oder die Gründung von Städten, die wir heute noch bewohnen. Alte Verkehrswege, die dort angelegt wurden, wo heute Straßen und Bahntrassen gebaut sind. Teile unserer Sprache (wenn natürlich auch nicht in so großem Umfang wie die romanischen Sprachen), viele Wörter, die einen lateinischen Ursprung haben. Alles zusammen würden Europa und damit unsere Zivilisation heute gänzlich anders aussehen, hätte es Römische Reich nicht gegeben.
Das alles in einer so kompakten Form nachzulesen, finde ich ungemein spannend. Weil sich damit Lücken im Wissen genauso füllen lassen, wie auch die Zusammenhänge und Entwicklungen der Regionen rund um das Mittelmeer sehr übersichtlich dargestellt sind.