Virginie Grimaldi: Unser Tag ist heute
Autorin/Autor: Grimaldi, Virginie
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Britta
Dieses Mal fällt es mir besonders schwer über den Inhalt zu schreiben, da ich befürchte, schon mit wenigen Sätzen zu viel preiszugeben. Denn beim Lesen hatte ich gleich nach den ersten Seiten einen „Aha-Moment“. Ich gestehe, ich hatte mir diesmal nicht einmal den Klappentext durchgelesen.
Erzählt wird die Geschichte von Jeanne Perrin, einer 74-jährigen Seniorin, die einen Zwergdackel namens Boudine besitzt, dem 18-jährigen Konditorlehrling Théo Rouvier und der 33-jährigen Iris, die eigentlich Physiotherapeutin ist, zur Zeit aber als Pflegerin arbeitet.
Das Buch beginnt mit einem Prolog, der zeitlich 3 Monate zuvor angesiedelt ist und dessen Handlung sich über ein Jahr erstreckt. Danach wird chronologisch über das Leben der drei Charaktere erzählt, über ihr Aufeinandertreffen und ihren Umgang miteinander. Jede dieser Figuren hat ihr Päckchen zu tragen und meistert das mehr oder weniger gut. Nach einer Phase der Annäherung und gegenseitigen Akzeptanz, profitiert jeder einzelne von der Gesellschaft der anderen und alle gewinnen deutlich an Lebensqualität.
In der Geschichte kommt auch der Humor nicht zu kurz. Das zeigt ein kurzer Auszug aus einer Szene mit Théo:
„Als ich um sieben Uhr drei die Bäckerei betrete, begrüßt mich Nathalie mit einem herzlichen ,Wieder zu spät!’.
Ich antworte nicht. Als die Liebenswürdigkeit verteilt wurde, war sie diejenige, die zu spät kam. Unangenehmer als sie ist nur der Holzspatel, den der Arzt einem in den Rachen schiebt. Wenn sie wüsste, warum ich zu spät komme, würde sie mir nicht wegen drei armseliger Minuten auf die Nerven gehen.“
Mein Fazit:
Mich hat das Buch von Beginn an in seinen Bann gezogen und sehr berührt. Es mag jetzt wie ein Klischee klingen, aber ich hatte das Gefühl in einen gefühlvollen, realistischen französischen Film abzutauchen, nur eben in Buchform und deshalb natürlich um ein Vielfaches besser. Ein gutes Buch kann keinem Film das Wasser reichen!
Der Schreibstil der Autorin hat mir sehr gut gefallen. Sie packt viel Inhalt in wenig Text und formuliert zum Teil kurze, aber sehr aussagekräftige Sätze. Die Autorin beweist wirklich Gefühl und Intelligenz in ihrer Wortwahl und lässt ihre Figuren mit viel Sensibilität und Aufrichtigkeit zum Leben erwachen. Es gelang mir, mich sofort in jede ihrer Figuren hineinzuversetzen und das bei so unterschiedlichen Charakteren.
Ihre Sprache klingt wie komponiert.
„Jeanne war von klein auf dazu erzogen worden, andere Menschen zu respektieren. Es galten einfache Regeln. Der andere ist König, man darf ihn weder verärgern noch enttäuschen oder stören, belästigen, ermutigen, aufhalten, unter Druck setzen, verletzten, bekümmern, behindern. Um diesen Erwartungen gerecht zu werden, hatte Jeanne sich die entsprechenden Verhaltensweisen wie Kleidungsstücke übergezogen und ihr natürliches Wesen drunter erstickt.“
Die Kapitel, in denen die Autorin abwechselnd aus der Sicht der drei Hauptfiguren erzählt, sind kurz, ergänzen aber einander und so bleibt der Erzählstrang klar erhalten. Ich bin kein Fan von wechselnden Szenen oder Personen in einer Geschichte. Ich mag es, wenn sich alles chronologisch und logisch aneinanderfügt. In diesem Buch hat mich der Wechsel zwischen den Figuren aber gar nicht gestört, ganz im Gegenteil, ich fand das sogar erfrischend und es störte meinen Lesefluss in keinster Weise.
Bei manchen Übersetzungen war ich mir nicht sicher, ob die Autorin das wirklich so ausdrücken wollte. Das Wort „schnuppe“ ist so ein Beispiel. „Egal“ hätte mir in diesem Fall viel besser gefallen.
Zusammengefasst ein sehr realistischer, feinfühliger, humorvoller und lebensbejahender, zeitgenössischer Gesellschaftsroman. Und ja, er zauberte mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht. Volle Empfehlung und klare 5 Sterne!