Buchbesprechung/Rezension:

Joachim B. Schmidt: Kalmann und der schlafende Berg

Kalmann und der schlafende Berg
verfasst am 03.09.2023 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Romane, Schmidt, Joachim B.
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Eine recht komplizierte Geschichte, in die Kalmann da gerät. Zuerst stirbt der Großvater, dann behauptet Nói, Kalmanns bester Freund, steif und fest, dass jemand den Großvater umgebracht hätte; aber woher soll Nói das denn wissen? Dann schreibt Kalmanns Vater einen Brief und lädt ihn zu Weihnachten zu sich nach Amerika ein; und Mutter stimmt zu, ja sie drängt Kalmann fast, zu fliegen.

Bis dahin viel Alltagsgeschichte, wie es einem jungen Mann auf Island ergehen kann. Alles aus der Sicht von Kalmann erzählt, der äußerlich ein erwachsener, wenn auch etwas behäbiger junger Mann ist, im Inneren aber ein Kind, das die Welt um sich herum nie zur Gänze begreift.

Dann fliegt Kalmann tatsächlich nach Amerika. Aus dem, was er dort erlebt, wissen wir, dass sich das alles noch zur Zeit der Pandemie zuträgt, in der zweiten Hälfte des Jahres 2020, und dann rund um den 6. Jänner 2021; ja genau, es geht wirklich um den Sturm auf das Kapitol in Washington. Man erfährt das, weil Kalmann von seinem Vater und dessen Familie dorthin mitgeschleift wird; aber was soll Kalmann mit dem Begriff bigotte Rechtsradikale anfangen – hätte ihm das jemand gesagt, wäre er trotzdem mitgefahren, denn was sollte den sonst in Amerika tun?

Denn genau zu solchen Leuten sein Vater und dessen Familie und prompt gerät Kalmann an ein paar FBI-Agenten, die ihn gleich mitnehmen. Dass er harmlos ist, das stellt man zwar recht schnell fest, aber trotzdem verfrachtet man ihn ins nächste Flugzeug, direkt zurück nach Island. Sie haben ja recht, denn wenn das FBI schon genug mit den verrückten einheimischen Trump-Fanatikern zu tun hat, dann braucht es nicht auch noch importierte Demonstranten; und schon gar nicht einen mit so einem Background.

Nein, es macht Kalmann nichts aus, wieder nach Hause zu kommen; was aber viel wichtiger ist, was das FBI behauptet, ist, dass Kalmanns Großvater, angeblich, so steht es jedenfalls dort in den Unterlagen, ein Sowjetspion war. Auch Kalmanns Mutter hatte davon keine Ahnung, aber wenn sie das nun hört, dann versteht sie ein paar der Erlebnisse aus ihrer Jugend gleich viel besser.

Auf der einen Seite sein Vater und dessen Familie auf der Rechtsaußen-Seite, auf der anderen sein Großvater ganz links außen – Joachim B. Schmidt verpasst seinem Helden mit Augenzwinkern eine recht turbulente Familiengeschichte  …

So geht die Geschichte weiter: wenn es wirklich stimmt, dass Großvater ein Spion war, dann hat ihn vielleicht wirklich jemand umgebracht.  Das ist der Moment, in dem die Handlung die Gemächlichkeit abstreift. Jetzt wird Kalmann Odinsson wieder zum Sheriff von Raufarhöfn.

Die Fortsetzung der Lebensgeschichte Kalmanns ist ähnlich berührend, wie es schon der erste Roman war. Zwar erscheint mir der Erzählstil jetzt manchmal etwas langatmig – das Neue ist es eben nicht mehr so ganz neu und die Erzählperspektive eben nicht mehr so ungewöhnlich und speziell – aber es bleibt dennoch eine unglaublich einfühlsame und berührende Geschichte. Man liest sie unweigerlich gebannt, um mitzuerleben, wie ein Mensch die Welt sieht, der nicht alles gleich in Zusammenhänge setzt, für den Staunen noch zum Alltag gehört.

Wie mag für Menschen wie Kalmann alles tatsächlich aussehen und wirken? Ohne es zu wissen/wissen zu können, erscheint mir die Beschreibung durch Joachim B. Schmidt überaus glaubhaft. Die zeigt einen Menschen, dessen Gedankenwelt sich zwischen kindlich-einfältig und überraschend klug und umsichtig bewegt.

(Offen gesagt, bei einigen Kapiteln dachte ich mir, dass es doch recht schön wäre, so im Moment leben zu können, so ganz ohne alles in Bezug auf eine Zukunft oder Vergangenheit zu setzten, so wie Kalmann eben.)

Wenn man es versucht, kann man sich beim Lesen gänzlich in die Welt von Kalmann hineinwagen und alles ein wenig anders sehen, als man es selbst erleben würde. Und wenn Kalmann mit seinem Sheriffstern und seinem Cowboyhut durch den Ort geht, dann wird man zu einem der Bewohner, die ihm freundlich zuwinken.

Verbunden damit ist ein Blick in das Leben und auf die Menschen auf Island, der die Einsamkeit und Weite des Landes, ganz am nordöstlichen Ende, eröffnet. So etwas wie Fernweh macht sich dann bei jemandem wie mir breit, der lieber in nördlichen Gefilden als in südlicher Hitze Zeit verbringt – und man muss sich diese isländische „Spezialität“ mit dem schrecklichen Namen Gammelhai ja nicht antun.  :-)

Das Leben in einem kleinen Ort auf Island, erzählt aus der Sicht eines jungen Mannes, er nicht anders kann, als alles auf die ganz einfachen Grundsätze zu reduzieren – ein Buch, das man unbedingt lesen sollte.




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