Buchbesprechung/Rezension:

Damon Galgut: Das Versprechen

Damon Galgut: Das Versprechen
verfasst am 28.01.2022 | 1 Kommentar

Autorin/Autor: Galgut, Damon
Genre: Gesellschaftromane
Buchbesprechung verfasst von:
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Südafrika: Es ist das Jahr 1986, als Rachel, gerade einmal 40 Jahre alt, stirbt. Zu selben Zeit befindet sich das Land im Aufruhr, das Apartheidregime wendet jedes Mittel an, um die Macht zu bewahren.

Damon Galgut überträgt in seinem Roman Das Versprechen (The Promise) das Geschehen der sich ankündigenden Zeitwende ganz Südafrikas auf das Geschehen und die Verhältnisse in der Familie Swart, die sich zum Begräbnis zusammenfindet. Es ist eine weiße Familie, was im Südafrika des Jahres 1986 bedeutsam ist, genauso wie es auch heute noch bedeutsam ist.

Eine Feier, während der die gegenseitige Abneigung und Verachtung, die gegensätzlichen Weltanschauungen und die tief verwurzelte Ressentiments kaum verborgen werden können. Zu Ehren der Verstorbenen unterbleiben Auseinandersetzungen für einen kurzen gemeinsamen Moment der Trauer, doch schon zuvor und während dessen haben sich viele der Anwesenden innerlich schon von jeglicher Gemeinsamkeit zurückgezogen. Risse gibt es zur Genüge – zwischen den Generationen, den Religionszugehörigkeiten –  es ist wie der von Trennung geprägte Kosmos des Staates Südafrikas komprimiert in einer Familie, für diese die Trauerfeier wohl das letzte gemeinsame Treffen sein wird.

Die Bruchstellen

Zum Eklat kommt es, als Anton, der älteste Sohn, seinen Vater Manie vor allen Anwesenden auffordert, das Versprechen, dass dieser der verstorbenen Mutter gegeben hat, einzulösen. Das Versprechen, Salome, der jahrelangen Pflegerin und Freundin Rachels, das Haus zu überschreiben, das Salome mit ihrem Sohn bewohnt. Doch Manie streitet jedes Versprechen ab, so wie er auch andere gegebene Versprechen ohne zu zögern abstreitet und übergeht. Mit diesem Verhalten verliert der Vater gleich zwei seiner Kinder, denn auch Amor, seine jüngste Tochter, kann nicht verstehen, warum der Vater über das lügt, was die verstorbene Mutter wollte.

Für Anton geht es dabei vor allem um einen umfassenden Bruch mit dem Status Quo, er dient gerade in der Armee und musste dort Gewalt gegen wehrlose Menschen einsetzen, nur weil diese eine dunkle Hautfarbe haben. Das gebrochene Versprechen des Vaters ist jetzt nur der Auslöser, ja der beinahe willkommene Anlass für die Auseinandersetzungen. Denn Anton weiß, dass es das zu der Zeit geltende Gesetz in Südafrika gar nicht zulassen würde, einer Schwarzen Eigentum zu übertragen.

Neun Jahre später stirbt auch der Vater. Seine Kinder sind nun über das Land verstreut, nur gelegentlich gibt es Kontakte, kaum weiß man, wo sich die anderen aufhalten. Das Land ist währenddessen in eine neue Zeit eingetreten. Der Vater, Reptilienzüchter, wurde von einer seiner Giftschlangen gebissen, nach wenigen Stunden ist sein Leben zu Ende. Dabei war es sein schier unglaublicher Leichtsinn, die ihn in die Situation brachte, in der dieser Schlangenbiss gewissermaßen unvermeidlich geworden war.

Wieder trifft die Familie zu einer Trauerfeier zusammen, nur fehlen diesmal alle Verwandten der Familie der Mutter, dafür gibt es schon eine neue, junge Generation – die Kinder von Astrid, Amors und Antons Schwester. Man versammelt sich am Sterbebett des Vaters  im Krankenhaus, die Jahre haben Spuren bei allen hinterlassen. Es ist das Jahr 1995, genau zu der Zeit, als sich die Nation, geeint wie nie zuvor und danach, hinter der heute legendären südafrikanischen Nationalmannschaft bei der Rugby-WM versammelt.

Vielen Themen in einem Roman

Es ist über vieles zu lesen. Die Familiengeschichte der Swarts ist das durchgehende Leitmotiv, und die privaten Ereignisse vor dem Hintergrund der Apartheid und des Wandels Südafrikas. Dann die Vereinnahmung von leichtgläubigen Menschen durch bigotte, geldgierige Prediger. Die schier unüberwindbare, tief verwurzelte Vorurteile, die Angst vor Veränderung und die Ahnung (Hoffnung für die einen, Befürchtung für die anderen), dass alles bleibt, wie es ist. Dazu immer, manchmal nur im Hintergrund, manchmal bestimmend, ein Staat, der das menschenverachtende Regime abschüttelt und für kurze Zeit wie ein Meteorit am Himmel alles überstrahlt. In dessen gewöhnlichem Alltag sich nach dem Ende der Euphorie zeigt, dass Demokratie und friedliches Miteinander Aufgaben sind, die sich immer wieder aufs neue stellen, mit ungewissem Ausgang. Was uns heute an Meldungen aus Südafrika über Kriminalität, Korruption und über eine auseinanderdriftende Gesellschaft erreicht – auch darüber liest man im Roman.

Man folgt also ganz unterschiedlichen Erzählungen, die dazu noch Raum genug geben, vieles davon mit eigenen, persönlichen Bezügen zur Gegenwart zu verbinden; so wird für jede und jeden eine andere Seite des Romanes sichtbar und wichtig werden.

Der Roman ist in vier Abschnitte unterteilt, jeder dreht sich um ein einschneidendes Ereignis in der Chronik der Familie, Jahre liegen dazwischen. Ich habe den ganzen ersten Abschnitt, jenen, in dem der Tod von Rachel betrauert wird, gebraucht, um mich in den Stil und die Art der Beschreibung hineinzufinden. Denn die Erzählungen sind nicht durchgehend; sie brechen ab, weil etwas anderes soeben wichtiger geworden ist, setzen sich erst später wieder fort. Alles greift dabei ineinander, vermengt sich für ein Stück des Weges, trennt sich dann für immer oder nur für eine kurze Zeit.

Nach dem Beginn, der etwas Geduld erforderte, wurde das Buch für mich ein hin- und mitreißender Roman, voller klug gesponnener Verbindungen und Einblicke auf Kleines und Großes. Einblicke, wie sie nur jemand geben kann, der das Land in seinem Inneren kennt und der es versteht, Menschen zu beobachten. Die klare Sprache ist ein zusätzlicher Faktor, der dieses Buch für mich derart überzeugend macht (woran auch die Übersetzung durch Thomas Mohr einen bedeutenden Anteil hat).

Wie die Biografien der Mitglieder der Familie Swart diese Menschen ganz großartig beschreiben, wie sich aus dem Verhältnis der Menschen zueinander immer wieder spannende, überzeugende Erzählungen voller tiefer Einblicke ergeben.

Damon Galgut beschreibt alles so realistisch, so direkt aus dem Leben gegriffen, mit Details, die beinahe alles erfassen, was Menschen ausmachen kann.

Der Roman wurde mit dem Booker Preis 2021 ausgezeichnet.




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