Yukito Ayatsuji: Die Morde im Dekagon-Haus
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Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Die Ausgangsszenerie scheint vertraut (und ist so oder so ähnlich oft in Krimis nachzulesen): die sieben Mitglieder eines Krimiklubs, allesamt Studentinnen und Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen, verbringen einige Tage auf einer abgeschiedenen Insel.
Was diesen Ausflug so besonders macht ist, dass dort vor nicht allzu langer Zeit zwei Gebäude standen: Eines ist bis auf die Grundmauern abgebrannt, das Feuer sollte wohl den Mord an den vier Bewohnern der Insel verschleiern.
Das zweite Gebäude ist das Dekagon Haus. Alles hier ist 10-eckig, der Entwurf für das Haus und seine Einrichtung stammte von einem der Mordopfer, dem Architekten Nakamura Seiji. In diesem Haus richten sich die sieben häuslich ein, abgeschnitten von der Außenwelt soll diese Atmosphäre die nötige Inspiration für neue Detektivgeschichten liefern.
Die sieben sind alleine auf der Insel, ein Boot wird sie erst nach ein paar Tagen wieder abholen, bis dahin sind sie auf sich gestellt.
Während die Insel erkundet wird, tauchen weit entfernt auf dem Festland mysteriöse Briefe auf. Sie wirken wie Drohungen, wie die Ankündigung der Rache für den Tod eines verstorbenen Mitglieds des Krimiklubs. Einer der Empfänger ist ein weiteres ehemaliges Mitglied des Klubs – Kawaminami Taka’aki befürchtet, dass eine unbekannte Person im Namen des ermordeten Architekten ein Verbrechen begehen wird. Denn auf den Kuverts scheint als Absender Nakamura Seiji auf, obwohl bereits sechs Monate seit dem Brand vergangen sind. Kawaminami ist nicht das einzige Mitglied des Klubs, das Post erhält.
Japan in den 1980er Jahren ist der Schauplatz des Debütromanes von Yukito Ayatsuji, der in Japan unter den Top 10 der Kriminalromane gereiht wird (Dass der Roman tatsächlich auch damals geschrieben wurde, merkt man beispielsweise dann, wenn es um die technische Ausstattung geht, als so etwas wie Computer noch selten verwendet wurden).
Ein ewiges Hindernis beim Lesen von Romanen aus Japan sind die Namen von Personen und Orten – zum Beweis habe ich ein paar davon oben schon dazu geschrieben – denn: wie soll man sich das merken :-). Deshalb ist es zunächst positiv überraschend, dass man von den Mitgliedern des Klubs liest, die Namen wie Ellery, Carr oder Agatha tragen. Es stellt sich heraus, dass sie sich die Namen berühmter Autorinnen und Autoren als Pseudonym zugelegt haben, Namen, die sogar weitergegeben werden, wenn jemand aus dem Klub ausscheidet und jemand anders dafür nachrückt. Es ist auf jeden Fall eine Erleichterung dabei, sich die Namen der Protagonisten zu merken.
Nach diesen Anfangsschwierigkeiten verdichtet sich die Geschichte beinahe unmerklich immer mehr. Es wird mit jeder Seite dramatischer, ohne dass sich dabei der ruhige, unaufgeregt Erzählstil ändert.
Die Grundstruktur der Handlung bleibt währenddessen erhalten: hier die Vorgänge auf der Insel, als eine Bedrohung für die Mitglieder des Krimiclubs zunächst nicht ernst genommen wird, es könnte auch ein überzogener Scherz eines der Anwesenden sein. Dort, auf dem Festland, decken die Empfänger der mysteriösen Briefe schrittweise die Wahrheit hinter dem Brand und den Morden auf der Insel auf.
Was aber die angebliche Wahrheit ist, das kann so nicht mit dem zusammenpassen, was zur selben Zeit auf der Insel geschieht. Wurden die Ermittlungen damals zu früh beendet, verbringt sich hinter dem Offensichtlichen noch etwas, das jetzt, Monate nach der Katastrophe quasi erwacht?
Auf den ersten Seiten (es waren nur ein paar) musste ich mich noch bemühen, in den Krimi hineinzufinden. Sobald das aber gelungen war, haben mich die Konstruktion des Kriminalfalles, der Erzählstil und der Aufbau des Romanes gefesselt. Wie in so vielen Romanen japanischer Autorinnen und Autoren, die bei uns veröffentlicht werden, schwingen auch hier unsichtbare Ebenen mit. Die des Verborgenen, das nicht zu fassen ist, wie aus einer Dimension, die sich den menschlichen Sinnen zu entziehen scheint.
Diese Elemente ergeben in Summe einen Krimi, der sich zu einem wahren Pagturner entwickelt. Einen Roman, den man sich als Fan klassischer Krimis mit raffiniert konstruierter Handlung keinesfalls entgehen lassen sollte.
PS: Yukito Ayatsuji hat seit damals mehr als 30 weitere Romane geschrieben, es gibt also für den Verlag noch genug Material für weitere Veröffentlichungen!