Buchbesprechung/Rezension:

Robert Seethaler: Der letzte Satz

Robert Seethaler: Der letzte Satz
verfasst am 07.08.2020 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Historische Romane, Seethaler, Robert
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Einsichten in das Leben von Gustav Mahler. Robert Seethaler blickt durch Mahlers Augen auf Abschnitte aus dessen Leben zurück.

Ein zerbrechlicher, sterbenskranker Mann ist es, nach unserem heutigen Maßstäben hätte er noch ein langes Leben vor sich, der an Bord des Ozeandampfers seinen Gedanken und Erinnerungen nachhängt. Gustav Mahler befindet sich auf seiner letzten Reise, von New York nach Wien im Jahre 1911. Mahler war begnadeter Komponist, einflußreicher Dirigent und epochaler Operndirektor. Worauf also blickt ein solcher Geist zu einem Zeitpunkt zurück, zu dem ihm schon bewusst sein muss, dass sein Leben nicht mehr lange dauern wird.

Seine Frau Alma, die ihm zuliebe ihre eigenen künsterlischen Ambitionen eingeschränk hatte – er hatte sie verloren, ihre Affäre mit Walter Gropius setzte ihm zu, so sehr, dass er sich um seine Geisteskraft sorgte, dass er sich an Professor Sigmund Freud wandte, um seine Seelennot zu heilen. Seine Töchter, Anna, die lebendige, und Marie, die vier Jahre zuvor im Alter von nur fünf Jahren verstorben war.

Mahler, wie er allein an Deck des Dampfers Amerika sitzt und wie sein Blick im umgebenden unendlichen Ozean versinkt; wie Stationen seines Lebens aus den Wellen aufzutauchen scheinen und wieder darin versinken.

Als er Direktor der Hofoper in Wien wurde und ab dem Jahr 1897 die verstaubten Traditionen des Hauses und der Institution Oper insgesamt mit Mut und gegen den Widerstand der Konservativen in eine neue Ära im neuen Jahrhundert transformierte. Wie es ihm gewissermaßen aufgezwungen wurde, von sich eine Büste von Auguste Rodin fertigen zu lassen, wo er doch an einem  solchen Firlefanz überhaupt kein Interesse hatte. Wie er die wunderschöne Alma Schindler kennen lernte, wie er gleich wusste, dass er sie über alles liebte und wie sie schon vier Monate nach dem ersten Zusammentreffen heirateten. Wie das Ehepaar, angetrieben von Mahlers Ruhm und dem Wunsch des Publikums, ihn persönlich zu erleben, von einer Weltmetropole zur nächsten reiste; St. Petersburg, Paris, Wien, New York, Berlin, Hamburg.

Robert Seethaler verwendet für seine Gustav Mahler-Erzählung eine Form der verdichteten historischen Erzählung, die in den letzten Jahren so sehr in Mode gekommen ist: Geschichtliches und/oder Biographisches wird, komprimiert auf wenige Seiten, quasi als Extrakt, den Leserinnen und Lesern serviert. Ein paar wenige Szenen aus Mahlers Leben verdeutlichen, welcher Mensch er war, was ihn bewegte und wie er sich in der Welt bewegte.

Man folgt also Mahlers Gedanken und liest Mahlers Gespräche, die Seethaler erdacht hat. Die kreisen aber nicht um das, was Mahlers Vermächtnis und Geschenk an die Welt ist – seine Musik – sondern vielfach um die Hindernisse, die ihm das Leben in den Weg legte. Das letzte Hindernis ist es dann auch, dass er, so wie er da an Bord sitzt, wohl weiß, dass er nicht mehr viel Zeit in seinem Leben haben wird.

Ein leicht zwiespältiges Resumee bleibt am Ende: da ist einerseits die sprachliche Brillianz, die Robert Seethaler aufbietet, die aber andererseits nicht in adäquatem Inhalt mündet. Die Gefühlswelt Mahlers scheint mir doch oft ein wenig zu sehr übertrieben, zu sehr aufgesetzt dargestellt, die Bezeichnung “Kitsch” wäre zwar übertrieben, aber gelegentlich lehnt sich Seethalers Geschichte doch sehr in diese Richtung. 

Deshalb kann ich für mich persönlich diese Erzählung nicht ganz in eine Reihe mit den großartigen Seethaler-Romane stellen.




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