Buchbesprechung/Rezension:

John Leake: Eiskalter Tod
Unfall oder Verbrechen?

verfasst am 19.01.2013 | 1 Kommentar

AutorIn & Genre: Leake, John, Sachbücher
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Kennen Sie Duncan MacPherson? Oder Fabrizio Falchero, Raven Vollrath? Nur ein paar Namen von jungen Männern, die in der Gegend rund um den Stubaier Gletscher spurlos verschwanden. Einige von ihnen wurden nach vielen Jahren vom Eis frei gegeben, einige sind noch immer wie vom Erdboden verschluckt. Die Aufrollung des Falles des Duncan MacPherson – um diesen geht es in diesem Buch – bringt eine Aneinanderreihung von Fehlern, Vertuschungen und Irreführungen ans Tageslicht, die an ein System in der Behandlung derartiger Fälle glauben lässt.

Der amerikanische Schriftsteller John Leake recherchierte mehrere Jahre lang in Österreich und in Kanada und führte die Fakten in diesem “Doku-Thriller” zusammen.

Duncan MacPherson, 23, ein ehemaliger Eishockeyspieler aus Kanada machten im August 1989 einen kurzen Abstecher auf den Stubaier Gletscher um dort das Snowboarden auszuprobieren. Er verschwand einfach und niemandem in der Gegend bemerkte das. Als MacPhersons Eltern nichts von ihrem Sohn hörten kamen sie nach Europa um auf eigene Faust Nachforschungen zu unternehmen. Das war im September 1989 und bis heute lässt sie dieses Thema nicht mehr los.

Die Aufklärung unerklärlicher Unfälle, die möglicherweise noch durch Verschulden eines einheimischen Betriebes oder einer lokalen Organisation verursacht wurden, wird sabotiert, die Fakten werden verfälscht oder nur mangelhaft widergegeben, Untersuchungen werden verschleppt, einfach eingestellt oder die Ergebnisse verschwiegen.

Der Vermisstenanzeige der Eltern gingen die Behörden in Tirol zuerst überhaupt nicht nach, versuchten dann den Fall schon nach wenigen Tagen zu den Akten zu legen. Nur der Hartnäckigkeit von Lynda und Bob ist es zu verdanken, dass man nach einigen Wochen dann endlich erste Spuren des Vermissten fand.

Es begann damit, dass sein Wagen wochenlang (!) mitten auf dem Parkplatz einer Liftstation stand und dort von jedermann gesehen werden konnte. Doch niemand machte sich darüber Gedanken, obwohl angeblich zu diesem Zeitpunkt die Suche nach dem Vermissten bereits im Gange war – und obwohl alle Einheimischen den Eltern versicherten, dass jedes verlassen herumstehende Fahrzeug umgehend Such- und Rettungsmaßnahmen auslösen würde.

Nur die erste einer Unmenge noch folgender Ungereimtheiten. Zeugen machten falsche Aussagen oder änderten sie mehrfach, die Polizei (damals noch Gendamerie) wurde meistens erst aktiv, nachdem die Eltern selbst auf neue Hinweise gestossen waren und vertuschte dann mehr als sie herausfand. Die Behörden in Innsbruck verzögerten und behinderten die Untersuchung. Auch die kanadischen Behörden leisteten keine Hilfe, sie hatten mehr die guten Beziehungen  zu Österreich im Sinn als das Wohlergehen ihrer eigenen Bürger.

Als 14 Jahre später die Leiche Duncans gefunden wurde, setzte sich die Verschleierungs- Vertuschungs- und Irreführungstaktik nahtlos fort. Die Behörden in Tirol gaben nur das weiter, was ihnen in den Kram passte und schafften es damit erfolgreich, weitergehende Untersuchungen von Bundesbehörden zu behindern. Die Nachfragen der Eltern wurden zunehmend mit Widerwillen und dann mit offener Ablehnung abgetan. Dort, wo die Eltern glaubten Hlilfe zu bekommen, wurden sie im Gegenteil ganz bewusst auf falsche Spuren gelockt.

Verfolgt man die Entwicklung in Österreich in den vergangenen Jahren, dann scheint sich die Behandlung dieses Falles (und der vieler anderer) eindeutig in ein Schema einzuordnen: das der engen Zusammenarbeit willfähriger Behörden mit einflussreichen Personen und Organisationen. Ein Schelm, der dabei an Korruption denkt  –  mir käme so etwas natürlich niemals in den Sinn.

Verstärkt wird diese gute, alte österreichische Tradition noch durch regionale Eigenheiten wie Starrsinn und eine gehörige Portion “Bischt a Tiroler, bischt a Mensch;  bist kchoana, bischt a O …”-Mentalität bei den beteiligten Personen.  Und den, folgt man John Leakes Erkenntnissen, massiven Einfluss der dort ansässigen Tourismusbosse (falls die dann auch noch Jagdreviere besitzen, in die sie Landeshauptleute auf eine Gams einladen, dann glaub’ ich das sofort).

Obwohl Leake schreibt, dass dieser und die anderen im Buch kurz erwähnten Fälle mehrmals für Meldungen in den Medien sorgten, kannte ich persönlich keinen davon. Oder anders gesagt: viel konnte man davor auch nicht erfahren, denn das, was die Behörden als Ermittlungsergebnisse veröffentlichten, hatte mit den tatsächlichen Ereignissen oft nur sehr wenig zu tun. Es wurde heruntergespielt, verharmlost, getäuscht. Ein paar verunglückte Touristen, was ist das schon gegen die vielen Hunderttausende, die Jahr für Jahr das Geld ins Land bringen.

Das Zusammenführen der Fakten, die umfangreichen Recherchen, die Schlussfolgerungen: das liest sich wie ein packender Krimi. Man liest es, man versteht es, man kann den Beweisen und Indizien folgen und will es trotzdem nicht glauben. Aber es ist die Realität und dieses Leid ist wirklichen Menschen widerfahren.

Ein Satz zum selbst-beenden zum Abschluss:
Fremder, der Du kommst ins Heilige Land Tirol, … … … …!

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  • Kommentar von  Gerhart Schwab am 15.03.2013 um 18:33 Uhr

    Wann lebt man in der verkehrten Welt? Sobald Mut nötig ist, die Wahrheit zu sagen und deren Nachteile zu ertragen, die vom Haß derer kommen, die mächtig genug sind, ihren Vorteil vor Tatsachen zu schützen, die diesem schaden könnten.- Dieses Tirol ist nicht das Peter Maiers von 1809, dem ein Offizier Napole- ons das Angebot machte, durch eine andere Aussage sein Leben zu retten. Peter Maier: “Ich will mein Leben nicht durch eine Lüge erkaufen.”


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