Buchbesprechung/Rezension:

Richard J. Evans: Hitlers Komplizen
Helfer und Vollstrecker: Das Dritte Reich in 24 Porträts

Hitlers Komplizen
verfasst am 01.11.2025 | einen Kommentar hinterlassen

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In der Einleitung zum Buch beschreibt Richard Evans einige der Schwierigkeiten beim Versuch der Bewertung von Hitlers Aufstieg und der Ära der Gleichschaltung (beinahe) eines ganzen Landes. Wenn es zwar Einigkeit über historische Ereignisse gibt, weichen Erklärungsversuche zum WARUM und WIE hingegen stark voneinander ab.

Da auch jetzt noch immer neue Quellen zugängig oder aufgearbeitet werden, eröffnen sich immer wieder Ansätze für neue Erkenntnisse.

In einer Art Wechselwirkung stieg Hitlers Selbstvertrauen mit der Bewunderung und Zustimmung seiner Gefolgsleute, deren Zahl sich wiederum mit Hitlers immer selbstsichererem Auftreten immer weiter erhöhte.

Hat Hitler also die Nazi-Bewegung „gemacht“ oder ermöglichte die Ergebenheit seine Gefolgsleute es Hitler erst aus dem Bierzeltdemagogen zum Diktator und Jahrhundertverbrecher zu werden?

Doch zu welchen Schlüssen Historikerinnen und Historiker auch immer kommen, gemeinsam bleibt aber unumstößlich, dass die zwölf Jahre Nazideutschland das Zeitalter der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte war.

Richard Evans beschreibt in diesem Buch nicht nur den Aufstieg der Spitzen der Nazis zur Macht, angefangen von Hitler über Himmler und Göring bis zu Heydrich und Speer. Genauso viel Raum nehmen weniger bekannte Protagonisten ein, die entweder weniger in der Öffentlichkeit standen oder die als Mitläufer nicht weniger Schuld auf sich geladen haben.

Eine Erkenntnis aus diesen Biografien ist, dass es DEN typischen Nazi nicht gibt – außer vielleicht die offensichtliche Tatsache, dass es zur Ideologie der Nazis (damals und heute) gehört, dass Männer das Sagen haben und Frauen deshalb bestenfalls nur in untergeordneter Rolle akzeptiert werden. Was dazu führte, dass gerade in den 1920er und 1930ern eine solche Gruppe von Verbrecher zusammenfinden konnte, das ist aber auch ganz sicher zwei Umständen geschuldet: der Niederlage Deutschlands im 1. Weltkrieg, samt der daraus entstandenen „Dolchstoßlegende“ und die Weltwirtschaftskrise am Ende der 1920er. Dass der damit untrennbare Antisemitismus keine Erfindung Hitlers und der Nazis war, ist zwar bekannt, sollte aber immer wieder, auch heute, betont werden. Denn Antisemitismus ist in unserer Gesellschaft noch immer weit verbreitet und bei viel zu vielen Leuten tief verwurzelt.

„Ja, hört dieses ewige Aufwärmen der NS-Zeit denn nie auf?“

Sieht man sich diverse Online-Foren auch von weit verbreiteten Tageszeitungen an, dann treten sie vermehrt dort auf: die Relativierer, die Leugner, die Verharmloser. Sei es aus ideologischen Gründen, weil sie kein Problem mit Rechtsextremismus haben, oder weil ihnen Information, Bildung und Weitsicht fehlen – im Ergebnis ist beides für unsere Demokratie bedrohlich.

Wenn antidemokratische Demagogen bei Wahlen stetige Zuwächse verzeichnen, dann darf man niemals damit aufhören, den Ursachen einer solchen Entwicklung nachzugehen und muss den Menschen vor Augen halten, wohin so eine blinde Unterstützung autokratischer Demagogen und Parteien führt.

Aus den unterschiedlichen Perspektiven der vierundzwanzig porträtierten Männern und Frauen ergibt sich ein allen gemeinsames Bild völlig verzerrten Wahrnehmung. Erfundene Gräuelgeschichten über Juden, Verfolgung aus Neid und Eifersucht, weil jemand Schuld daran sein musste, dass man selbst gescheitert ist, ungehinderte Hetze gegen Juden (und andere Minderheiten) … wie sehr erinnert das doch an das, was auch in den 2020er-Jahren geschieht.

Demagogen und Extremisten bauen Feindbilder auf und ein wesentlicher Teil der Bevölkerung glaubt diesen erfundenen und erlogenen Geschichten. Zusätzlich gefährlich ist, dass diese via Social Media noch mehr und noch schneller verbreitet werden als vor einem Jahrhundert.

Wenn es in den zurückliegenden Jahrzehnten dabei vorrangig um historische Fakten ging, so erscheinen jetzt immer öfter Bücher, die sich damit beschäftigen, wie es möglich war, dass sich große Teile der Bevölkerung dazu verleiten lassen konnten, diese Verbrecher zu unterstützen. Evans liefert in diesem Buch einige der Hintergründe dazu

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts brachte den Aufstieg der Faschisten und Kommunisten. Terror, Krieg und Millionen Tote folgen.

Die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts bringt gerade den Aufstieg von ideologielosen Diktatoren (oder solchen, die es werden wollen). Von Putin bis Xi, von Trump bis Orban – was kommt noch? Wohin führt das?

Richard Evans‘ Buch belegt, wie immens wichtig es ist, dass die NS-Zeit weiterhin aufgearbeitet und thematisiert wird.




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