Buchbesprechung/Rezension:

Christopher Long: Der Fall Loos

Der Fall Loos
verfasst am 22.07.2025 | einen Kommentar hinterlassen

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Ist im Sinne der Kunst alles erlaubt?

Autor Christopher Long hat einen Aufsehen erregenden Prozess wieder in das Gedächtnis gerufen: Der bekannte Wiener Architekt Adolf Loos (1870-1933) wurde 1928 wegen Missbrauchs minderjähriger Mädchen vor Gericht gestellt. Er soll ihnen während des Aktzeichnens ungebührlich nahe gekommen sein.

Penibel recherchiert Christopher Long die Presseberichte sowie die Akten und Protokolle (soweit die noch erhalten sind). Gleich zu Beginn fällt auf, dass die Polizei schlampig ermittelt hat. Erschreckend sind die Ermittlungen der Polizei bei den Kindern. Während deren Familien, Freunde, Nachbarn und Lehrer sowie die Pfarrer (!!) genau befragt worden sind, hat man Adolf Loos‘ Vergangenheit nicht oder nur unzureichend unter die Lupe genommen. Ein Schelm, der sich Böses dabei denkt. Es wird alles getan, um die Glaubwürdigkeit der Mädchen zu untergraben. Loos ist berühmt, hat zahlreiche Fürsprecher, die Mädchen keines von beidem.

Es scheint Weisungen von ganz oben gegeben zu haben, ist doch Kindesmissbrauch zu jener Zeit weit verbreitet. Es ist die Zeit bitterer Armut, weshalb sich Kinder prostituieren müssen, um zu überleben. Das Buch stellt das Sittenbild von Wien in der frühen Zwischenkriegszeit dar.

Adolf Loos ist nicht der einzige, den man mit solchen Vorwürfen konfrontiert. Die Liste der berühmten Namen ist lang: Peter Altenberg, Egon Schiele, Oskar Kokoschka und Karl Kraus wirft man sexuellen Missbrauch von Kindern vor.

Die Grenzen zwischen Kunst und Missbrauch von Kindern war zu jener Zeit fließend. So hat man den Maler Egon Schiele wegen Anfertigung von pornografischen Zeichnungen von Minderjährigen Jahre zuvor zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.

Der Kampf zwischen „Reaktionären“ und „Modernen“ spitzt sich zu (und wird dann 1934 im Bürgerkrieg münden). Im Schatten des Prozesses um die Ereignisse von Schattendorf und dem Brand des Justizpalastes ist die Einstellung der Bürger zu Recht und Obrigkeit gespannt.

Wie immer in solchen Fällen, wenn das öffentliche Interesse und die Sensationsgier groß ist, ist es schwierig zwischen Fakten und übler Nachrede zu unterscheiden. Christopher Long hat auch die damalige Berichterstattung durch Presse kritisch untersucht, die, ähnlich wie die heutige Yellow Press, Sorgfalt bei der Recherche und Umgang mit der Wahrheit vermissen lässt. Es gibt zahlreiche Hinweise in Biografen von Loos‘ Zeitgenossen, dass Adolf Loos noch mehr Schuld auf sich geladen hat, für die er nicht zur Rechenschaft gezogen worden ist.

Wie das Gerichtsverfahren für Adolf Loos ausging? Er wurde in zwei Anklagepunkten frei- und in einem schuldig gesprochen. Gefängnisstrafe erhielt er keine. Die Geldstrafe ist für ihn wohl verschmerzbar gewesen.

Das Cover erinnert an die Gitterstäbe in einer Gefängniszelle, worüber wir Leser uns eigene Gedanken machen können.




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