Buchbesprechung/Rezension:

Kaliane Bradley: Das Ministerium der Zeit

Das Ministerium der Zeit
verfasst am 02.05.2025 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Bradley, Kaliane
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
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Zeitreisen!
Einfach einmal so einen Ausflug in eine andere Epoche machen!
Das wäre doch etwas!

Das Ministerium der Zeit, von dem die in London geborene Autorin Kaliane Bradley in diesem Roman schreibt, holt Menschen, die in der Vergangenheit gestorben sind, in die Gegenwart. Die Gegenwart ist in diesem Fall irgendwo in der nahen Zukunft der 2020er-Jahre. Die sogenannten „Brücken“ sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums, die die Geholten auf dem Weg in deren neues Leben in einer für die Neuankömmlinge völlig veränderten Welt, zu begleiten und zu unterstützen.

Commander Graham Gore starb, so steht es in den Geschichtsbüchern, um das Jahr 1847 bei einer Polarexpedition. Dass man ihn in die Gegenwart holte, wird also kein Zeitparadoxon verursachen. Gore zur Seite steht eine Ministeriumsangestellte (ihr Name bleibt unerwähnt), für die Gore der erste „Klient“ dieser Art ist.

Die ersten Abschnitte erzählen davon, was ein Mann, der mehr als 170 Jahre Entwicklung versäumt hat, alles an neuen Eindrücken zu verarbeiten hat; so vieles, das zu seiner Zeit noch undenkbar war und heute alltäglich ist. Von der Sprache, über die Art zu reisen, von der Ausstattung unserer Wohnungen zu den zwischenmenschlichen Beziehungen. Eine ganze Menge an Informationen für den Mann aus dem 19. Jahrhundert und andauernd kommt etwas Neues dazu.

Insgesamt ein Ausgangsszenario, das ausreichend Stoff für überraschende und skurrile Situationen bereits stellt (Oder auch für Anlässe, selbst manches aus unserer Welt wahrzunehmen, das wir wegen dessen Selbstverständlichkeit und Alltäglichkeit übersehen).

Einmal alles aus der Perspektive eines Zeitreisenden zu betrachten wäre doch spannend, oder?

Diese Sache mit den Zeitreisen aus der Vergangenheit ist für mich Anlass darüber zu spekulieren, was uns wohl erwarten würde, würden wir einhundert Jahre in der Zukunft aufwachen. Was könnte sich verändert haben? In Bezug auf die Technik ist es natürlich schwer Prognosen zu treffen, aber wie steht es um die Zivilisation? Gibt es unsere politischen und gesellschaftlichen Systeme überhaupt noch? Im Vergleich den Erwartungen der Menschen, die einhundert Jahre in unserer Vergangenheit leben, ist jetzt, nach allem, was im 21. Jahrhundert schon geschah, mindestens eine Frage dazu gekommen, die sich früher nicht stellte: gibt es die Menschheit in dieser Form überhaupt noch? (Wie alle Zukunftsszenarien wird auch ein Ausblick von heute auf das Morgen keine Ergebnisse liefern, die dann nur annähernd dem entsprechen, was wird.

Zu Beginn erinnert mich der Roman in Sprache und Thema ein wenig an die großartige Thursday Next-Reihe von Jasper Fforde. Dann, etwas ein Drittel habe ich gelesen, verschwindet dieser Vergleich und das vor allem deshalb, weil der Schwung hier verloren geht.

Für meinen Geschmack bleiben viele Möglichkeiten eines solchen Zeitreiseromans ungenützt, dafür füllen sich die Seiten mit einer ganzen Menge allzu kleinteilig beschriebener Momente und Ereignisse, die die Handlung nicht weiterbringen, sondern eher abbremsen. Oder anders gesagt: zwischendurch wird es etwas unübersichtlich und langatmig.

Gar nicht gut gelungen ist der Versuch, die aus unterschiedlichen Jahrhunderten stammenden Zeitreisenden zu beschreiben. Dabei wäre doch genau das eine tolle Chance, darüber zu schreiben: wie ergeht es einem Menschen aus einem zurückliegenden Jahrhundert, sich ins 21. Jahrhundert zu integrieren, ja es überhaupt zu verstehen. Dieser immense Unterschied bei den Moralvorstellungen, der Rollenverteilung zwischen Mann und Frau, der rasante, von der Technik bestimmte Alltag,   … Wenn viele Menschen, die in unserer Zeit aufgewachsen sind, schon Schwierigkeiten haben, dieses Leben zu bewältigen, wie mag es dann erst jemandem aus dem 19., 18. oder 17. Jahrhundert ergehen? Das alles leider nur recht oberflächlich beschrieben, aus meiner Sicht hätte mehr davon in den Roman gehört.

In einer anderen Frage liefert die Autorin hingegen eine in meinen Augen überaus kreative Perspektive: Wie können wir (wann immer wir sind), durch Veränderung der Vergangenheit etwas zum Besseren verändern? Durchaus angebracht, sich das zu fragen, angesichts der dramatischen Fehler, die die Menschheit begangen hat und täglich begeht und die die Zukunft der Menschheit insgesamt bedrohen könnten. Könnte man da nicht einfach jemanden zurückschicken und einfach nur einen Schalter in die andere Richtung drehen?

Zusammengefasst:

Einerseits lässt Kaliane Bradley aus meiner Sicht viele Möglichkeiten aus, die das Thema des Romanes anbietet und verliert sich stattdessen in Nebensächlichkeiten, die zum Querlesen und Überblättern verleiten. Andererseits entwickelt sich – was zu Beginn kaum zu erwarten war, aber in dieser Story viel Sinn ergibt – ein überaus aktueller Bezug zu unserer Gegenwart der 2020er-Jahre.

„Das Ministerium der Zeit“ ist ein genreübergreifender Roman: von Science Fiction über Spionage- und Umwelt-Thriller bis hin zu einem Liebesroman mit durchaus expliziten beschriebenen Szenen (wozu das?) liest man sich durch eine Story, die – siehe oben – zwar ein paar Schwächen hat, mich in Summe aber durch ihre Kreativität und viele überraschende Wendungen doch überzeugt.




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