Buchbesprechung/Rezension:

Alexander Bartl: Walzer in Zeiten der Cholera
Eine Seuche verändert die Welt

Walzer in Zeiten der Cholera
verfasst am 17.12.2023 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Bartl, Alexander, Geschichte
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Im Oktober 2023 feiert die Stadt Wien das 150-jährige Bestehen der 1. Hochquellenleitung und damit den Beginn der modernen Wiener Wasserversorgung. Die feierliche Eröffnung fand am 24. Oktober 1873 mit der Inbetriebnahme des Hochstrahlbrunnens am Schwarzenbergplatz statt.

Die Geschichte bis und wie es dazu kommt, die Wiener Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser versorgen zu können, erzählt Autor Alexander Bartl in diesem Buch.

Doch bevor es noch zur Errichtung der Hochquellenwasserleitung geht, müssen wir uns mit der Ausbreitung der Cholera beschäftigen. Hier wird der geneigte Leser die eine oder andere Parallele zu heute wiedererkennen, wenn es darum geht, eine Pandemie kleinzureden.

In der Mitte des 19. Jahrhundert kämpfen so gut wie alle europäischen Länder mit der Cholera. Die Seuche, die durch verunreinigtes Trinkwasser hervorgerufen wird (was man damals noch nicht weiß) bricht regelmäßig aus, da verunreinigtes Wasser in die Brunnen bzw. Flüsse gelangt, aus denen die Menschen ihr Trinkwasser entnehmen. Die Krankheit befällt alt und jung, arm oder reich. Auch wenn die Vermögenden durch Latifundien außerhalb der Großstadt Wien bessergestellt sind, macht die Cholera vor niemandem Halt.

Endlich, 1864 beschließt der Wiener Gemeinderat aufgrund einer Initiative des Geologen Eduard Suess den Bau der Wiener Wasserleitung. Dem Beschluss gehen endlosen Debatten voraus. So lesen wir von enervierenden Gemeinderatssitzungen, dem ewigen Gezänk um die Finanzierung dieses Großprojektes und lernen einige Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts kennen, der Namen uns heute als Straßenbezeichnungen geläufig sind.

Wir sind mitten in der Gründerzeit. Jeder will ein Stück vom Kuchen und schnell und (möglichst) ohne harte Arbeit reich werden. Doch dann reißt der Börsenkrach vom 9. Mai 1873 die Monarchie beinahe in den Abgrund. Die Spekulationsblase platzt und stürzt zahlreiche Unternehmen in die Pleite.

Als dann die Hochquellenwasserleitung mit dem Hochstrahlbrunnen im Oktober des Jahres 1873 endlich in Betrieb geht, neigt sich ein Jahr mit Höhen und Tiefen dem Ende zu. Zum einen hat die Wiener Weltausstellung mit einem Verlust von 14 Millionen Gulden nicht annähernd den Erfolg gehabt, den Initiator Wilhelm Freiherr von Schwarz-Senborn den Stadtvätern versprochen hat und zum anderen ist die Cholera wieder aufgeflammt und hat Tausende Todesopfer, darunter auch Besucher der Weltausstellung gefordert, was der Veranstaltung nicht sonderlich gutgetan hat. Über diese Weltausstellung können wir ebenfalls einige sehr interessante Details nachlesen.

Meine Meinung:

Der Wiener Journalist und Buchautor Alexander Bartl hat mir mit diesem Sachbuch große Freude bereitet. Als historisch interessierte Wienerin lese ich gerne Bücher zur Geschichte Wiens. Dabei muss es nicht unbedingt um zuckersüße Walzerseligkeit oder die Welt der Adeligen gehen, sondern es darf auch das Wien der Bürger, Handwerker und der einfachen Leute gezeigt werden.

Worauf Alexander Bartl nur kurz hinweist, ist das zweite Großprojekt dieser Zeit: die Donau-Regulierung. Auch sie hat zahlreiche Befürworter bzw. Gegner, ist allerdings wegen der Schiffbarkeit der Donau von überregionaler Bedeutung, sodass hier eher die Ministerien als die Stadt Wien federführend sind. Aber, dieses Bauvorhaben wäre wohl ein anderes Buch wert.

Obwohl dieses Buch ein Sachbuch ist, liest es sich locker und flüssig. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Ich konnte die Debatten, die Streitereien während der Gemeinderatssitzungen im Alten Rathaus in der Wipplingerstraße förmlich hören.

Wie der Autor in seinem Nachwort erklärt, gehört eine penible Recherche zum Gelingen eines solchen Werkes unbedingt dazu. Ich hätte mir hier noch ein Verzeichnis der verwendeten Sekundärliteratur gewünscht. Die zahlreichen Abbildungen lockern das Buch auf.

Die Wiener Bevölkerung ist sich des Schatzes „Hochquellenwasserleitung“ oft gar nicht mehr bewusst. Man dreht am Wasserhahn und das saubere Nass fließt heraus. Vielleicht sollten wir ein wenig innehalten und die Kostbarkeit bewusst genießen sowie den Pionieren Eduard Suess und Cajetan Felder Respekt zollen. Dieses Buch stand auf der Shortlist zum Wissenschaftsbuch des Jahres 2022.

Fazit:

Wer Interesse an der Geschichte Wiens im 19. Jahrhundert hat, die mit feiner Sprache erzählt wird, dem sei dieses Buch wärmstens ans Herz gelegt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.




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