Buchbesprechung/Rezension:

Charles Lewinsky: Der Wille des Volkes

Der Wille des Volkes
verfasst am 06.08.2018 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Lewinsky, Charles
Genre:
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Die Schweizer haben es also getan: sie haben die „Eidgenössischen Demokraten“, die Partei des Rechtpopulisten Stefan Wille, an die Regierung gewählt. In wohl bekannter Manier (siehe auch: Deutschland 1933, Polen und Ungarn ganz aktuell) gingen diese mit einem schier unheimlichen Tempo daran, den Staat umzubauen. Und nun, viele Jahre später, ist die Schweiz ein Staat mit einer einzigen Meinung, ein Staat, in dem Abweichung von der vorgegebenen Denk- und Meinungslinie zu fatalen Folgen führen kann.

Das ist der Hintergrund des Romanes von Charles Lewinksy, auf dessen Buchdeckel „Kriminalroman“ steht.

Was sich schon in unserer Zeit abzeichnet, ist in der beschriebenen Zukunft schon zum überwiegenden Standard geworden. Anstatt von professionellen und gewissenhaften Journalisten, werden die Nachrichten von billigen Schreiblingen unters Volks gebracht, die keine Ahnung von Recherche, von Hintergrundwissen, von Nachfragen haben. Denn mehr will ja auch das Volk gar nicht mehr hören & lesen. Einfache Inhalte, einfach aufbereitet.

Kurt Weidemann und Felix Derendinger sind Überbleibsel aus der Zeit, als es noch anders war. Journalisten, die nachfragten, die einer Geschichte folgten, bis sie auf den Grund gestoßen waren. Jetzt sind beide schon längst im  Ruhestand und haben so gut wie keinen Kontakt zueinander. Da muss es Weidemann verwundern, dass sich Derendinger bei ihm meldet und unbedingt und rasch ein Treffen möchte. Auf einem öffentlichen Platz, zwischen vielen Menschen würde es wohl nicht auffallen.

Es ist nur ein sehr kurzes Treffen, das Weidemann verwirrt zurück lässt: ein paar kurze Sätze, eine Anstecknadel und schon ist Derendinger wieder ind er Menge verschwunden. Auf dem Heimweg sieht Weidemann den alten Kollegen wieder. Diesmal tot, er liegt in einer Blutlache, ein Selbstmord soll es gewesen sein.

Das ist der Moment, in dem in Weidemann wieder der alte Instinkt erwacht. So kann es nicht gewesen sein, warum sollte sich Derendinger umbringen, was bedeuten die wenigen Informationen, die er ihm gab und wie hängt das mit dem zuammen, was Derendinger beim letzten Treffen ein Jahr zuvor erzählte.

Es sind nun zwei Themen, über die Lewinsky schreibt:

Zuerst darüber wie es ist, in einem Überwachungsstaat nationalistischer Prägung zu leben, in dem ein großer Teil der Vorgänge dem Stimmvolk verborgen bleibt. In dem die Partei bestimmt, worüber berichtet wird und wie es denen ergeht, die dem Staatsapparat in die Quere kommen. In den es niemand mehr wagt, Frage zu stellen und nachzuforschen.

Das zweite Thema ist Kurt Weidemann selbst: ein alter Mann, der sich selbst aus dem Abseits holt. Da finden sich viele und unglaublich einfühlsame Einblicke in seine Gedankenwelt, wie er sich an seine Arbeit und seine Erfolge bei den Nachforschungen in der Vergangenheit erinnert und wie er nun versucht, Derendingers Spuren mit der selben Konsequenz wie früher zu folgen.

Mit der Einordnung als Kriminalroman bin ich überhaupt nicht einverstanden. Denn auch wenn es um einem Mord geht, so ist es doch ein Buch über die schöne neue Welt, die sich drohend über dem Horizont unserer Demokratien aufbaut. Darüber, welche Tricks und Verdrehungen der Wahrheit die Rechtspopulisten einsetzen, um das willige Stimmvolk dazu zu bringen, in demokratischen Wahlen die Demokratie selbst abzuwählen. Wie sie alles durchdringen und wie am Ende alles nur noch dazu dient, die Macht zu erhalten.

Ein Roman, der in stiller und wie beiläufiger Form darüber erzählt, wie es sich in solch einem Land leben würde. Obwohl das so fern erscheinen mag, so existieren die möglichen Ursprünge dafür bereits. In der Schweiz, aber auch bei uns.




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