Buchbesprechung/Rezension:

Weiler, Jan: Drachensaat

verfasst am 26.06.2011 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Romane, Weiler, Jan
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Bernhard Schade macht eine Karriere als Architekt. Diese nimmt ein jähes Ende, nachdem er Udo, seinen Sohn, der mit dem Down-Syndrom zur Welt kommt, zu seinem 18. Geburtstag in ein Bordell einlädt, um seine Unschuld zu verlieren. Nach der Scheidung zerbricht seine Welt und er wird zum Alkoholiker. Dem Leben überdrüssig plant Bernhard einen Suizid.

Er will sich erschießen und das spektakulär. Nämlich in der Oper bei Wagner „Götterdämmerung“. Doch ihm misslingt das gewaltig, nicht nur, dass er an seinem Kopf fast vorbeischießt, der Suizidversucht wird ihm als Anschlag auf einen Politiker, der in seiner Nähe sitzt, ausgelegt. Er landet dadurch in der Psychiatrie.

Er wird aus dem Landeskrankenhaus entlassen und in die Villa „Unruh“ überstellt, gemeinsam mit fünf anderen „Problemfällen“, die in der Justiz als geistig abnorm gelten.

Dort herrscht Zens, ein Psychiater, der allen sechs Patienten das Zens-Syndrom diagnostiziert. Menschen, die unter dieser Krankheit leiden, seien seiner Ansicht nach ehemals gut funktionierende Elemente der Gesellschaft gewesen, aber deren Existenz aufgrund bestimmter Ereignisse gescheitert. Die Gesellschaft habe sich durch ihr „Nicht-Funktionieren“ aus ihrem System rausfallen lassen.

Zens plant eine Studie an diesen sechs gescheiterten Existenzen.

Neben Bernhard Schade lebt in der Villa Rita Bauernfeind. Sie ist im Internet bekannt als “fette Frau, die Luft isst”. Außerdem empfängt sie in ihrem Kopf Radio- und Fernsehen.

Dann gibt es noch Ünal Yilmaz. Er wird von Mitmenschen, die immerzu unhöflich und frech zu ihm waren, in den Wahnsinn getrieben, bis schließlich seine Nerven mit ihm durchgehen. Als Busfahrer fährt er mit Bus samt Fahrgästen so lange quer durch die Gegend, bis der Tank leer ist. Auch er wird nach dieser Aktion in die Psychiatrie eingewiesen.

Arnold wiederrum wird von schweren Ängsten geplagt. Er war ursprünglich Postbote und stellte die Post aufgrund seiner Panik einfach nicht mehr zu. Als sein Haus einzustürzen droht werden Tausende Briefe gefunden, die Arnold bei sich zuhause deponiert hat.

Ein besonderer Fall ist Benno, er hat neun Jahre mit seiner toten Mutter im gleichen Haus gelebt. Dieses eigenartige Verhalten flog auf, als der Pfarrer der Mutter zum 90. Geburtstag gratulieren wollte.

Dr. Zens gibt der Gesellschaft die Schuld an der Krankheit seiner Schützlinge. Einer Gesellschaft, die die Schwachen verstößt, ihnen keine Möglichkeit gibt, am Leben teilzuhaben. Das soll sich durch seine Therapie ändern. Er will aus den TeilnehmerInnen der Studie wieder vollwertige Mitglieder der Gesellschaft machen. Dabei soll allerdings die Gesellschaft selbst geändert werden, nämlich dahingehend, dass mehr Respekt im Umgang wieder stattfinden und jedes Individuum in der Gesellschaft seinen Platz finden soll.

Indem Dr. Zens seinen PatientInnen die Fiktion eine bessere Welt quasi einimpft, steigert sich die Gruppe, die sich bald “Drachensaat” nennt, in eine Idee, die nicht nur mehr theoretisch existiert, sondern auch in die Praxis umgesetzt werden soll. Das bleibt nicht ohne Folgen. Dr. Zens entgleitet die Behandlung mit seiner sogenannter „Drachensaat-Therapie“, aus der griechischen Mythologie der Argonauten abgekupfert, der sogenannten neuen Zivilisationskrankheit und das Ganze endet schließlich in einem einzigartigen Chaos, indem die „Drachensaat“ einen Wirtschaftsmagnaten entführt.

Jan Weiler beschreibt in seinem Roman die Hilflosigkeit nicht privilegierter Menschen, die aufgrund von Krankheiten aus dem Gesellschaftssystem rausfallen. Er stellt die sechs handelnden Personen und ihrer Behandlung ironisch, skurril und auch wieder liebenswert dar. Daneben stellt er die Medien bloß, die zielgerichtet die Menschheit manipuliert und deren Manipulation auf fruchtbaren Boden fällt.

Fazit: Eine interessante Geschichte, schrille und interessante Charaktere, und nachdenklich macht das Buch nebenbei!




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