Buchbesprechung/Rezension:

Peter Lorath: Tanz der Furien – Wiener Abgründe
Leopold Kern Band 2

Tanz der Furien – Wiener Abgründe
verfasst am 05.11.2025 | einen Kommentar hinterlassen

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„Die Furien sind schlechte Ratgeber. Die Rachegöttinnen. Bei den Römern die Furien, bei den Griechen die Erynnien. Aus ihren Fängen kommt keiner mehr heraus. Rache trägt keine Frucht, Herr Kern, wie Schiller sagt. Sie hinterlässt nur Verlierer.“
(S.33)

Sommer 1880 – Wien, die Hauptstadt der Habsburgermonarchie bereitet sich auf den 50. Geburtstag von Kaiser Franz Joseph vor und kann Unruhe, wie die diversen Fehden in Wiens Unterwelt nicht gebrauchen. Daher wird lieber eine Razzia mehr als weniger durchgeführt und mögliche Unruhestifter bereits im Vorfeld aus dem Verkehr gezogen.

Als man einen italienischen Falschspieler in einem illegalen Casino verhaftet, erweist sich der als Glückstreffer für die Polizei. Denn der Falschspieler hat ausgerechnet Ferdinand Wanitzky, einem der legendären Unterweltbosse, ein Vermögen abgenommen. Dass gleichzeitig dessen Buchhalter tot im Rinnsal aufgefunden worden ist, lässt in Kern die Alarmglocken schrillen. Denn zum einen scheint Wanitzky, den man überall ob seiner Leibesfülle den „bladen Ferdl“ nennt, nicht mehr fest im Sattel seiner Organisation zu sitzen und zum anderen, nehmen lang gehegte Rachegedanken von ihm Besitz. Kern hat seine Suspendierung vor allem Wanitzky zu verdanken, der ihm eine Falle gestellt hat.

Zunächst kann Kern die Furien, die Rache nehmen wollen, noch in Schach halten, denn Polizeipräsident Marx kann in Erwartung eines Hochwassers der Donau weder böse Überraschungen noch Alleingänge Kerns brauchen. Doch als der befürchtete Bandenkrieg um Wanitzkys Imperium in der Leopoldstadt ausbricht, ist Leopold Kern plötzlich mitten drin.

Meine Meinung:

Dieser zweite Fall für Leopold Kern, im Jargon Huren-Poidl genannt, schließt ziemlich nahtlos an den ersten (Fluch der Venus) an. Offiziell suspendiert wird er von Polizeipräsident Marx mit einem Sonderausweis, der ihn als Mitglied der Lohnwagenamtes bezeichnet, ausgestattet und soll zu Marx‘ persönlichen Verwendung verdeckt ermitteln. Immerhin hat Kern die höchste Aufklärungsquote bei der Wiener Polizei, was natürlich seinen oft unorthodoxen Ermittlungsmethoden geschuldet ist.

Peter Lorath entführt uns in die Welt der „kleinen Leute“, die in winzigen Wohnungen ohne jeglichen Komfort leben müssen. Eine seiner Hauptfiguren arbeitet als selbstständige Wäscherin. Durch sie erfährt man sehr gut, wie das Leben der einfachen Leute ausgesehen hat und unter welchen Bedingungen sie ihren Lebensunterhalt verdient haben. Vor allem unverheiratete Frauen sind ständig sexuellen Übergriffen ausgesetzt und verdienen nur einen Bruchteil, des ohnehin schon kargen Lohns der Männer. Deshalb sind sie lohnende Beute für Männer wie Wanitzky, die das Elende gnadenlos ausnützen. Deshalb hält sich das Mitleid mit dem bladen Ferdl in Grenzen, der in der Pazmanitengasse geradezu feudal residiert. Meine erste eigene Wohnung ist nur unweit der Pazmanitengasse in einem der sogenannten Gründerzeithäuser gelegen: Zimmer, Küche und Kabinett mit WC am Gang, das ich mir mit einem älteren Ehepaar teilen musste. Daher habe ich mich bestens unterhalten gefühlt, wenn ich mit Leopold Kern durch die Gassen im Volkertviertel gegangen bin.

Wie wir es von Peter Lorath gewöhnt sind, so hat er penibel recherchiert und lässt seine Protagonisten an Orten im zweiten Wiener Gemeindebezirk auftreten, die es heute nicht mehr in der Form gibt. So betritt Leopold Kern das Bezirksgericht Leopoldstadt in der Oberen Donaustraße 45, das an der heutigen Ordnungsnummer Obere Donaustraße 55/Schiffamtsgasse 1, gestanden hat. Das Gebäude diente bis 1930 als Bezirksgericht und anschließend als Gefängnis der Gestapo, in dem Frauen wie die Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000) inhaftiert waren. Seit 1983 befindet sich hier das Vermessungsamt Wien (Obere Donaustraße 55) und das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV, Schiffamtsgasse 1-3) an seiner Stelle.

Gut gefällt, dass einige Protagonisten aus dem ersten Teil übernommen worden sind und sich weiter entwickeln dürfen. Die Charaktere werden geschärft und wir erhalten Einblick in Kern Seelenleben. Die bildhafte Sprache, die dem Milieu und der Zeit bestens angepasst ist, lässt uns hautnah miterleben, wie man eine Schulter so verletzt, dass sie Dauerschäden davonträgt. Nicht zur Nachahmung empfohlen!

Fazit:

Wer einen fesselnden historischen Krimi aus dem Wien um 1880 lesen will, ist hier goldrichtig. Ich empfehle die Reihe in der richtigen Reihenfolge zu lesen und gebe diesem zweiten Teil 5 Sterne.




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