Josephine Tey: Der letzte Zug nach Schottland
Inspector Grants sechster Fall

Autorin/Autor:
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
Online bestellen:

Josephine Tey konzentriert sich in diesem sechsten, letzten Roman mit Inspector Grant auf den Gemütszustand ihres Hauptdarstellers.
Grant sitzt im Zug nach Schottland, um dort für einige Zeit bei Freunden seinen Alltag bei Scotland Yard hinter sich zu lassen. Sehr zum Missfallen seines Vorgesetzten musste sich Grant diese Auszeit nehmen, die Belastung seines Jobs war zu groß geworden; „Burnout“ würde das in einem Roman des 21. Jahrhunderts heißen.
Ganz kommt er aber nicht von seinem Beruf weg, denn bei der Ankunft wird in einem Zugabteil ein Toter entdeckt. Ein natürlicher Tod, so scheint es und auch in den nachfolgenden Tagen ist nichts weiter darüber zu erfahren. Doch so sehr Grant endlich Abstand von seiner Arbeit gewinnen möchte und soll, so sehr beschäftigt ihn die Angelegenheit doch. Vor allem, weil ein Gedicht, das bei dem Toten gefunden wurde, scheint auf konkrete Orte hinzuweisen scheint und Grants Gehirn ist scheinbar nicht dafür gemacht, so etwas einfach zu vergessen.
In Vorfreude auf einen – wie von Josephine Tey gewohnten – ebenso durchdachten wie spannenden Krimi habe ich zu lesen begonnen. Nur muss ich nach einigen Abschnitten feststellen, dass die Bezeichnung „Krimi“ für diesen Roman leider ganz und gar nicht zutreffend ist. Vielmehr dreht sich alles um die Gedanken des Inspectors, seine Ängste, seine Befürchtungen und wie er einfach nicht von dem loskommt, was ihn doch erst zu seinem psychischen Zusammenbruch geführt hat.
Zwischendurch verstecken zwar immer wieder ein paar Verweise auf den Toten, aber insgesamt ganz und nicht das, was ich nach der Lektüre der fünf vorausgegangen Grant-Krimis erwartet oder erhofft hatte.
Zusammengefasst ist „Der letzte Zug nach Schottland“ bedauerlicherweise kein furioses Finale der Grant-Reihe, sondern eher ein melancholischer Abgesang.
Josephine Tey hat diesen Roman niemals selbst fertiggestellt. Er erschien erst nach ihrem Tod aus dem Nachlass und spiegelt wahrscheinlich in nicht unbeträchtlichem Anfang die Verfassung der Autorin selbst wider, die an einer unheilbaren Krankheit litt.
Sie lässt Grant nach Schottland reisen, ihrer eigenen Heimat, ihn die Landschaft und die Leute erkunden und die Atmosphäre des Landes wirken. Herausgekommen ist ein Roman, der über weite Strecken so etwas wie ein letzter Blick auf das ist, was die Autorin selbst noch sehen und fühlen wollte, bevor ihr eigenes Leben endete.
Jospehine Tey (bürgerlich Elizabeth MacKintosh) war erst 56 Jahre alt, als sie im Jahr 1952 starb; dieser Roman erschien noch im selben Jahr.