Rainer Nübel, Daniel Rölle, Nadia Zaboura: Medien zwischen Macht und Ohnmacht
Wie Journalismus Vertrauen zurückgewinnen kann

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Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Wir leben in Zeitalter der Krise der Wahrheit.
Wer könnte das mehr bestätigen als Journalistinnen und Journalisten? Der Berufsstand war lange Zeit das für eine Demokratie unerlässliche und bei den Menschen meist unbestrittene und unabhängige Kontrollorgan. Politische eingefärbten Journalismus gab es, ja, aber der deklarierte sich auch entsprechend.
Zu behaupten, dass der Niedergang des Berufsstandes erst mit dem Aufstieg der sozialen Medien begann, ist zu kurz gegriffen und blauäugig. Tatsache ist aber, dass, seit jedermann seine Dummheiten in die Welt brüllen kann und unzählige Leute das glauben, der Journalismus seine wichtige Rolle als Säule der Demokratie einzubüßen begann.
Wohin führt das alles, wenn es keine Änderung gibt? Wird eine „Wahrheit“ irgendwann nur noch von „Influencern“ und künstlicher Intelligenz festgelegt? Werden Meinungen irgendwann nur noch von denen mit dem meisten Geld oder/und dem lautesten Gebrüll diktiert?
Den Journalismus aus der Krise zu holen, ist schwierig, wenn nicht unmöglich geworden.
In den drei Abschnitten dieses Buches liest man dazu folgendes:
- Anhand von konkreten Beispielen erfährt man im ersten Abschnitt viel über die Arbeit und das Selbstverständnis der Vertreter des Berufsstandes. Wie sich das Umfeld veränderte, wie die Kürzungen von Budgets den Spielraum und damit die Möglichkeiten zur professionellen Arbeit laufend einschränken.
- Der zweite Abschnitt analysiert den IST-Stand. Wie lässt sich die Branche charakterisieren, wie ist die Selbstwahrnehmung und wie werden der Berufsstand und die journalistische Arbeit vom Publikum (den „Kunden“) wahrgenommen.
- Zum Abschluss der Versuch, Ansätze zur Lösung des Dilemmas zu finden, in das der Journalismus und damit unsere demokratische Grundordnung geraten sind.
Der Untertitel des Buches ist „Wie Journalismus Vertrauen zurückgewinnen kann“. Das lässt mehr erwarten, als das Buch dann mit seinem Inhalt liefern kann.
Klar und tatsächlich sehr erhellend ist es dann, wenn die Autorinnen und Autoren darüber schreiben, wie sich das Bild des Journalismus verändert hat. Welche Aufgaben erledigt werden sollten, wie den eigenen Ansprüchen gerecht werden kann und was einige der Wendepunkte waren, an denen die Arbeit korrupter (oftmals geld- und ruhmsüchtiger) Vertreter des Standes wesentlich zum schlechten Ruf von Journalisten beitrugen. Zugleich liest man aber auch über jene herausragenden Rechercheergebnisse, die weltweite Netzwerke von engagierten Journalistinnen und Journalisten veröffentlichen (oft unter Lebensgefahr).
Der Lösungsansatz im Buch kann jedoch aus meiner Sicht nur schwer eine Veränderung bringen. Weil sich bereits ein erschreckend großer Teil der Bevölkerung überhaupt nicht mehr für klassische Nachrichten interessiert, weil so viele sich nur mehr aus dem informieren, was ihnen ein Algorithmus einer Social-Media-Plattform anzeigt, weil die „klassischen“ Medien immer weniger genützt werden, macht es meines Erachtens wenig Sinn, bestehende Formate zu reformieren.
Der Schaden, den Plattformen wie Facebook, Telegram, TikTok & Co an unserer Demokratie anrichten, wird sich damit wohl nicht reparieren lassen.
Ich persönlich finde, dass das, was die uninformierten Menschen via Newsfeed und Algorithmen erreicht, schon weitaus früher von der Politik reglementiert werden müsste. Nicht im Sinn von Zensur, sondern im Sinn von Filtern gegen Gewalt, Lügen und Manipulation. Erst wenn die Dauerbeschallung mit Unwahrheiten eingedämmt wird, können die nicht auf Sensationslust, sondern auf Wahrheit basierenden Nachrichten vermehrt zu den Leuten durchdringen.
Dann würden vielleicht auch nicht mehr diejenigen gewählt werden, die sich als Volkstribune, Volkskanzler oder ähnliches bezeichnen und denen es in Wahrheit nur um Macht und persönliche Bereicherung geht. Dann könnte man Leute wie Orban, Trump, Kickl (…) das entgegensetzen, was sie wirklich fürchten: die Wahrheit.
Zusammengefasst:
Überaus interessante Einblicke in die Welt des Journalismus und in die Strömungen, die nicht erst seit gestern am Fundament dieser wichtigen Säule unserer Demokratie graben. Aber eine aus meiner Sicht überzeugende und praktikable Lösung können Rainer Nübel, Daniel Rölle und Nadia Zaboura leider auch nicht liefern. Aber gibt es eine solche überhaupt?
Dennoch: ein Buch, das man unbedingt lesen sollte; und das motivieren kann, sich, in welcher Form auch immer, am Erhalt unsere Demokratie zu beteiligen.