Suzanne Collins: Die Tribute von Panem
Der Tag bricht an

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Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Die Vorgeschichte zu den bisher erschienenen und verfilmten Romanen.
Viele der Charaktere, die man bereits kennt, werden in dieser Vorgeschichte entwickelt. „Der Tag bricht an“ ist chronologisch wenige Jahre vor jenen Ereignissen angesiedelt, bei denen Katniss Everdeen bestimmt wird, für Distrikt 12 in die Arena zu treten.
Jetzt ist es Haymitch Abernathy, der genau an seinem 16. Geburtstag nach einer manipulierten Auslosung in das Kapitol transportiert wird, um dort in den Hunger Games gegen seine eigenen Mitstreiter und die ausgewählten Tribute der anderen elf Distrikte anzutreten. Mit Haymitch hat die Auswahl noch drei andere getroffen – es sind die 50. Hunger Games und anlässlich dieses Jubiläums müssen die Distrikte anstatt ansonsten zwei, diesmal vier Tribute abstellen.
Wer die Trilogie der Tribute von Panem kennt, kennt auch das Prozedere, dem sich die Tribute unterwerfen müssen. Sie werden aus ihrem Leben gerissen, zur Schau gestellt, die Bevölkerung des Kapitols sieht in den jetzt 48 jungen Menschen keine gleichwertigen Individuen, sondern Gladiatoren, denen man vom Wohnzimmer aus bei Sterben zusehen kann. Ein System der Rache des Kapitols an den Verlierern im lange zurückliegende Bürgerkrieg.
Es gibt den Einzug der Gladiatoren auf den Streitwagen, die Interviews, die zur Belustigung der Zuseher dienen, den Tributen aber auch die Chance bieten, sogenannte Sponsoren zu gewinnen, die sie dann in der Arena im kommenden Überlebenskampf mit möglichst brauchbaren Spenden versorgen können.
Und dann werden die Tribute in die Arena getrieben, dorthin, wo es nur noch um das Überleben geht, wo nicht nur die anderen Tribute nach dem Leben trachten, sondern von den Veranstaltern auch tödliche Fallen eingebaut werden.
Haymitchs erster Auftritt im Streitwagen gerät gleich zu einer direkten Konfrontation mit Präsident Snow. Ein Ereignis, das noch weitreichende Folgen für Haymitch und die Menschen haben wird, die ihm nahestehen.
In der überaus drastischen Beschreibung des totalitären Regimes des Kapitols, in der menschenverachtenden Behandlung der Bewohner der zwölf Distrikte ist „Der Tag bricht an“ eine düstere Dystopie, eine oft brutal direkte Darstellung der Verhältnisse unter einer faschistischen Gewaltherrschaft. Die Vorbilder aus unserer Realität sind nur vermeintlich fern. Die Gladiatorenkämpfe im antiken Rom sind ein lange zurückliegendes Beispiel, die mörderischen Diktaturen des zwanzigsten Jahrhunderts, von Nazideutschland über die Sowjetunion, Kambodscha oder China bis Franco-Spanien sind weitaus näher. Ganz nahe sind uns die gegenwärtigen totalitären Strömungen und Regime von Russland bis Ungarn, von den USA bis hin zu Afghanistan und Nordkorea.
Keiner dieser Staaten hat alles das verbrochen, was man in den Tributen von Panem über das „Kapitol“ liest, das mit Gewalt den Rest von Panem unterdrückt. Aber es gibt in Suzanne Collins‘ Panem-Universium nur wenig, das so oder so ähnlich in der Geschichte der Menschheit nicht schon stattgefunden hätte.
Wenn die Buchreihe jemals als Jugendbuchreihe angedacht war, dann wird wohl spätestens mit diesem Prequel klar, dass die Autorin Romane gegen Diktaturen, gegen Machthaber, gegen Freiheitsberaubung und damit eine Story abseits aller Altersgrenzen schreibt.
Haymitch wird als Sieger aus den 50. Hungergames hervorgehen. Das steht schon von Beginn an fest, denn er wird uns Jahre später als Mentor von Katniss Everdeen wieder begegnen. Doch Präsident Snow und das von im installierte System der Unterdrückung lässt keine Sieger zu. Auch wenn Haymitch als einziger die Arena lebend verlässt, so wird er am Ende alles verlieren.
Die ersten drei Romane (die Katniss Everdeen-Trilogie) habe ich nicht gelesen, sondern nur als Film gesehen. Nachdem ich nun dieses Prequel gelesen habe, finde ich Woody Harrelson in seiner Darstellung des älteren Haymitch aber umso beeindruckender. Denn jetzt ist klar, woher der Zynismus dieses Charakters stammt, den Harrelson so überzeugend darstellt.
Auf die Idee, dieses Buch zu lesen, bin ich durch einen positiven Kommentar von Dennis Scheck gekommen. Fantasy ist ansonsten nicht unbedingt mein Lieblingsgenre, aber dieses Buch geht über die Einstufung an Fantasy-Roman weit hinaus.
Es ist zugleich auch Warnung davor, die Augen vor dem zu verschließen, was unsere Freiheit anzugreifen versucht. Und das passiert doch beinahe überall auf der Welt.
Deshalb ist dieser Roman auch ein unbedingter Lesetipp abseits des Fantasy-Genres!