Jake Tapper, Alex Thompson: Hybris
Verfall, Vertuschung und Joe Bidens verhängnisvolle Entscheidung

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Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Als Anchor bei CNN ist Jake Tapper wahrlich nicht als Gegner der Demokraten bekannt. Im Gegenteil kann man ihn ganz eindeutig als entschiedenen Kritiker Trumps und dessen rechtsextremer MAGA-Sekte bezeichnen.
Dass nun gerade von ihm und seinem Kollegen Alex Thompson dieses Buch geschrieben wurde, verleiht dem Inhalt umso größere Glaubwürdigkeit. Es ist eine detailreich recherchierte Chronik des geistigen und körperlichen Verfalls von Joe Biden, dem 46. Präsidenten der USA.
Bringt man das, was in diesem Buch steht, mit dem zusammen, was wir auf den TV-Bildschirmen sehen konnten, dann erscheinen die hier nachzulesenden Fakten umso glaubhafter. Dass Biden zusehends und quasi öffentlich vergreiste ist unbestreitbar, das konnte niemand übersehen. Was wir aber nicht wussten, das ist der tatsächliche Zustand des damaligen Präsidenten – der wurde systematisch verschleiert und schöngeredet.
Bidens schlechter werdende allgemeine Verfassung war zwar schon lange davor sichtbar, nach der denkwürdigen TV-Konfrontation vom 27. Juni 2024 ließ es sich aber nicht mehr verbergen, dass hier ein früh vergreister, gebrechlicher Mann zur Wahl antrat, dessen geistige Fähigkeiten dramatisch eingeschränkt waren. Die ganze Welt konnte den Verfall des US-Präsidenten live miterleben und die Amerikaner mussten sich die Frage stellen:
Wer zum Teufel regiert eigentlich gerade unser Land?
S 244
Dass dies alles das Endergebnis einer schon lange andauernden Verschleierungsaktion, durchgeführt von Bidens engstem Beraterkreis und Bidens Familie war, beschreiben die beiden Autoren anhand von Aussagen von Parteifreunden und Mitarbeitern des Präsidenten. Nachzulesen ist, wie die Arbeitsweise, die Auftritte und die Begegnungen Bidens an dessen immer schwerer zu verbergenden Verfall angepasst wurden. Zudem wurde der direkte Zugang zu Biden immer weiter eingeschränkt, wodurch der nur mehr gefilterte Informationen erhielt, die ihn bestätigten. Alles Negative wurde verschwiegen.
Zwar ließ sich das nicht verbergen, doch der innerste Kreis im Weißen Haus beschwichtigte und drohte. Fragen nach Bidens Verfassung wurden mit Überlastung oder Krankheit ausweichend beantwortet, wer es dennoch wagte, Bidens Regierungsfähigkeit anzuzweifeln, musste damit rechnen, massiv angegriffen zu werden.
Das alles erinnert stellenweise, wenn auch in stark abgeschwächter Form, an Trumps Vorgangsweise: in der Republikanischen Partei bedeutet öffentliche Kritik zugleich das Ende der politischen Karriere. Tapper und Thompson belegen, dass sich der engste Kreis um Biden bei dem Vorhaben, den Präsidenten abzuschirmen, mitunter einiger Methoden Trumps bediente, solche, die Biden unter anderem bewogen hatten, im Jahr 2020 anzutreten.
Das Ergebnis dieser Verschwörung (man könnte es wirklich so nennen) ist bekannt. Bidens Entscheidung, entgegen jeder Vernunft erneut zur Wahl anzutreten, hinderte potenzielle Kandidaten daran, sich zu bewerben.
Es bedurfte schlussendlich einer konzertierten Anstrengung vieler einflussreicher Demokraten, um Biden die Realität vor Augen zu führen und ihn zum Verzicht auf die Kandidatur zu bewegen. Als dann Kamala Harris nominiert wurde, war es zu spät und es gab dann auch keine andere Option mehr, als die Vizepräsidentin als Präsidentschaftskandidatin aufzustellen. Die erwartbare Niederlage konnte nur mehr abgemildert werden.
Die Entscheidungen eines kleinen Kreises rund um Joe Biden haben letztendlich zu einer Situation geführt, dass die Demokratie in den USA insgesamt gefährdet ist. Was davon auf Bidens eigene Entscheidungen basiert oder ob er überhaupt noch gänzlich verstand, was um ihn herum vorging, bleibt eine offene Frage. Zugleich haben diejenigen, die schon länger – inoffiziell – davon überzeugt waren, dass Biden zurücktreten sollte, nach außen aus Solidarität viel zu lange geschwiegen. Womit ihnen auch eine Mitschuld am nachfolgenden Desaster zugeschrieben werden muss.
Mit dem Ergebnis müssen nun nicht nur die US-Demokraten, sondern die ganzen USA und am Ende auch der Rest der Welt umgehen.
Ein Nachsatz dazu, dass dieses Buch überhaupt geschrieben wurde:
Was Journalisten wie Jake Tapper oder viele andere liberale Journalisten von der MAGA-Presse (allen voran FOX) unterscheidet, ist der Umstand, dass ganz unabhängig von der politischen Ausrichtung recherchiert und aufgedeckt wird. So etwas wird auf der rechtspopulistischen Seite nicht passieren, denn dort können Trump und seine Kumpanen tatsächlich noch so verbrecherische oder verrückte oder Entscheidungen treffen, noch so viel lügen und noch so korrupt sein – die MAGA-Presse wird es bejubeln.
PS: Dass kürzlich bei Joe Biden eine Krebserkrankung publik gemacht wurde, ist ein weiterer Beleg dafür, wie sehr der innere Kreis um den Expräsidenten der Öffentlichkeit den tatsächlichen Gesundheits- und Geisteszustand Bidens verschwieg.