Buchbesprechung/Rezension:

Erich Maria Remarque: Im Westen nichts Neues

verfasst am 21.08.2009 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Remarque, Erich Maria, Romane
Buchbesprechung verfasst von:

“Wir sehen Menschen leben, denen der Schädel fehlt; wir sehen Soldaten laufen, denen beide Füße weggefetzt sind; sie stolpern auf den splitternden Stümpfen bis zum nächsten Loch; ein Gefreiter kriecht zwei Kilometer weit auf den Händen und schleppt die zerschmetterten Knie hinter sich her; ein anderer geht zur Verbandsstelle, und über seine festhaltenden Hände quellen die Därme; wir sehen Leute ohne Mund, ohne Unterkiefer, ohne Gesicht; wir finden jemand, der mit seinen Zähnen zwei Stunden die Schlagader seines Armes klemmt, um nicht zu verbluten…”.

Mit schonungslosem Realismus schildert Erich Maria Remarque in seinem Meisterwerk das unvorstellbare Grauen des modernen Krieges, das er selbst im 1.Weltkrieg an der Westfront erlebt hat. Die Hauptperson Paul Bäumer erzählt aus der Ich-Perspektive von den unbeschreiblichen physischen und psychischen Qualen im Schützengraben, auf Patrouille, im Lazarett und entlarvt die hohle Kriegseuphorie als plumpe Propaganda.

Durch patriotische Reden seines Klassenlehrers Kantorek werden Paul und seine Schulkollegen überzeugt sich freiwillig zu melden. Bereits bei der kurzen Grundausbildung merken Paul und seine Freunde, dass die in der Schule vermittelten Werte auf dem Kasernenhof ihre Gültigkeit verlieren.

An der Front werden sie von älteren Soldaten um den erfahrenen Stanislaus Katczinsky in die Gefahren eingewiesen und es wird versucht ihnen beizubringen, sich gegen den wirklichen Feind zu wehren – den Tod. Zwischen Paul und „Kat“ entwickelt sich rasch ein Vater-Sohn ähnlicher Verhältnis.

Besonders drastisch schildert Remarque die Entmenschlichung im Krieg, die Reduktion des Menschseins auf elementare Bedürfnisse, die animalischen Verhaltensmuster und den Verlust der persönlichen Zukunft. Selbst wenn sie überleben sollten, werden sie kein Leben mehr haben, keine Zukunft mehr, nur noch Vergangenheit.

Bei einem kurzen Heimataufenthalt stellt Paul fest, wie sehr ihn die Erlebnisse an der Front verändert haben, die Unmöglichkeit, seiner Familie die grausamen Erfahrungen aus dem Schützengraben mitzuteilen. Enttäuscht kehrt er zurück zu den Menschen, die ihm nun am nächsten sind, seinen Kameraden an der Front.

Gerade die Generation der 1890 Geborenen konnte nie wieder Fuß fassen und wurde als „verlorene Generation“ bezeichnet. Die Jugendlichen fanden keinen Halt mehr in der Welt und die Gesellschaft ließ die wenigen Rückkehrer auf Grund völligen Unverständnisses weiterleiden.

Der Roman besticht durch seine unerhörte Spannung, durch Identifikation und Mitgefühl auf der einen Seite, sowie Abscheu und Verachtung auf der anderen Seite. Trotz aller Drastik und Brutalität regiert die Nähe, die Distanz fehlt und dies ist die große Stärke des Werkes. „Im Westen nichts Neues“ ist aber weder eine Anklage noch ein Bekenntnis.

„Es soll nur den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Kriege zerstört wurde – auch wenn sie seinen Granaten entkam.“ Erich Maria Remarque veröffentlichte den Roman nach Vorabdrucken in Zeitungen im Jahr 1929. Er wurde in 50 Sprachen übersetzt, erzielte eine Auflage von über 20 Millionen und gilt als das erfolgreichste deutsche Buch aller Zeiten. Mit der Veröffentlichung begann ein erbitterter Schlagabtausch über die Auswirkungen des Romans.

Das Spektrum der Beiträge reichte von enthusiastischer Zustimmung bis zu totaler Ablehnung. Die einen lobten die realistische Schilderung des Krieges und die pazifistische Wirkung, die anderen kritisierten ihn für seine einseitige Darstellung der Ereignisse, die den Heldenmut und die Opferbereitschaft der deutschen Soldaten gänzlich ausklammere. Bereits 1930 wurde das Werk verfilmt und erhielt des Oscar als besser Film des Jahres.

Nicht umsonst wurde es von den Nationalsozialisten verboten und bei den Bücherverbrennungen 1933 als Treibstoff für die Flammen verwendet, denn die Wirkung ist für eine krieglüsterne Propagandamaschine fatal. Remarques Opus Magnum ist nicht als Buch gegen den Krieg geschrieben, weil er es für überflüssig hielt, zu schreiben, dass jeder gegen den Krieg sei. „Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hingehen müssen.“ sagte er in einem Interview 1963.

„Im Westen nichts Neues“ gehört für mich zu den bedeutendsten Büchern des 20. Jahrhunderts, schlicht und einfach ein Klassiker der Weltliteratur!




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