Joseph Croitoru: Das System Netanjahu
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Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Man könnte damit beginnen: Netanjahu wurde seine Weltsicht quasi in die Wiege gelegt, ausgehend vom Vater über seinen älteren Bruder verbindet die drei die unumstößliche Motivation, den Staat Israel in den Mittelpunkt ihrer Lebensaufgabe zu stellen.
Alles, was sich rund um Israel befindet, wird als grundsätzlich feindlich angesehen. Schon sein Vater Benzion Netanjahu verfolgte als Mitglied der Bewegung „Revisionistischer Zionismus“ genau diese Linie.
Im Teenageralter übersiedelte Benjamin mit seiner Familie in die USA, wo er schon während seines Studiums begann, Lobbyarbeit für Israel zu betreiben, heute würde man ihn als eine Art Israel-Influencer bezeichnen. Schon damals versuchte er durch gezielte Informationsarbeit alle Absichten der USA zu torpedieren, die in Richtung eines Ausgleichs mit den Nachbarn Israels oder Errichtung eines Palästinenserstaates gingen. Recht ungeniert nützt er dabei aus, dass sein älterer Bruder Jonathan bei der Geiselbefreiung in Entebbe als einziges Mitglied der israelischen Antiterroreinheit getötet wurde. Benjamin stilisierte seinen Bruder zum Helden hoch und nützte dessen Tod für seine eigene politische Agenda
Im Jahr 1984 wurde Netanjahu Israels Gesandter bei der UN, 1988 siedelte er endgültig zurück nach Israel und begann dort seine politische Laufbahn, die ihn bis heute zum längstdienenden Ministerpräsidenten Israels machte.
Wenn man diese Biografie liest, dann erkennt man das Fundament, auf dem Netanjahu seine Weltsicht aufbaut. Zum einen eine überaus nationalistische Position, was den Staat Israel betrifft: was außen ist, ist zuerst einmal Feind, Gegner und muss sich erst einmal als Freund beweisen. Zum anderen die starre Haltung Netanjahus gegenüber einer Zweistaatenlösung mit Palästina. Je mehr man gerade darüber liest, desto deutlicher wird, warum der aktuelle Premier Israels zuerst eine Koalition mit rechtsextremen und ultrareligiösen Parteien einging und warum er den Krieg in Gaza bis heute nicht enden ließ.
Der Terrorangriff der Hamas auf Israel war für das ganze Land eine unglaubliche und traumatische Erfahrung, in einem Umfang, den wir als Außenstehende nicht ansatzweise nachvollziehen können. Wie allerdings Netanjahu in der Folge gegen die Bevölkerung des Gaza-Streifens vorging, wie er die angestrebte Vernichtung der Hamas als Rechtfertigung für die Brutalität gegenüber der dortigen Zivilbevölkerung benutzte, das ist – und das ist jetzt meine persönliche Position dazu – eines Regierungschefs eines demokratischen Staates unwürdig. Aggression wurde quasi zur Staatsdoktrin.
Möglich wurde das durch eine Stärkung der rechten und rechtsextremen Kräfte in Israel. Das hat das ganze Land auch gegenüber seinen Verbündeten entfremdet, die USA stehen noch hinter dem Land, weil es Netanjahu meisterhaft zu gelingen scheint, Donald Trump zu manipulieren. (Dass der gegenwärtige US-Präsident eine Schwäche für diktatorisch und aggressiv agierende Männer hat, beweist er ja durch sein Agieren gegenüber Leuten wie Putin oder Orban).
Die vielen akribisch recherchierte Details führen in der Summe geradewegs zu dem Bild, das die Welt heute von Netanjahu hat. Durch seinen jahrzehntelangen Einfluss auf die Politik Israels hat er auch die gesamte Atmosphäre im Land und die Denkweise der Menschen geprägt.
Entscheidend werden wohl die nächsten Wahlen sein. Sie werden zeigen, ob Netanjahus aggressives Vermächtnis noch weiter wirkt, oder ob der Staat Israel vielleicht doch wieder zu einer Ära zurückkehren wird, wie sie der friedlichen Vision von Jitzchak Rabin entsprechen würde.