Buchbesprechung/Rezension:

Lisa Graf: Lindt & Sprüngli
Zwei Rivalen, ein Traum

Lindt & Sprüngli
verfasst am 20.10.2025 | einen Kommentar hinterlassen

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„Vom Schulabbrecher zum Erfinder der Milchschokolade“

Dieser Band beginnt gleich dramatisch, denn der achtjährige Rudolphe Lindt aus Bern gerät beinahe unter die Räder einer Kutsche, wird aber von Binia Haab, einem Blumenmädchen gerettet. Er schenkt ihr eine Tafel Schokolade, die sie nie zuvor gekostet hat. Aus dieser Begegnung entwickelt sich eine lebenslange Freundschaft, die von Rudolphes Eltern nicht gerne gesehen wird, ist Binia doch ein Mädchen von der Matte, wie das Armenviertel Berns heißt. Und diese Freundschaft wird nicht das einzige sein, was den Eltern, der Vater betreibt eine gut gehende Apotheke, die Rudolphe übernehmen soll, missfällt.

Rudolphe, klein, schmächtig und in sich gekehrt, erfüllt die Erwartungen nicht, denn anstatt die Matura zu machen und zu studieren, verlässt er die Schule mit fünfzehn und beginnt eine Lehre in der Schokoladenfabrik Charles und Adolphe Kohler in Lausanne. Wie man weiß, sind Lehrjahre keine Herrenjahre und für Rudolphe beginnt eine Zeit der Schwerarbeit mit Schwielen und Blasen an den Händen. Das Allerheiligste, die Halle in dem die Schokolade entsteht, ist für ihn zunächst einmal tabu. In den Jahren, die er fern des heimatlichen Berns verbringt, schreibt er Bina zahlreiche Briefe, denen er immer wieder Schokolade beilegt. Diese Kostbarkeit ist ganz anders als jene Schokolade, die wir heute kennen. Schwarz, herb und im Fall der Kohler-Schokolade mit deren Erfindung als Noisette, mit geriebenen Nüssen versetzt. Die zart schmelzende Milchschokolade ist noch nicht erfunden. Dieser Traum schlummert noch im Kopf von Rudolphe/Rodolphe. Niemand glaubt, dass das einmal möglich sein wird.

Parallel dazu erfahren wir, wie es mit der Familie Sprüngli, deren Aufstieg wir im ersten Band verfolgen konnten, weitergeht. Hauptrolle spielt der, im Jahr 1863, 21-jährige Sohn und Erbe Rudolf, der mehrere Jahre im Ausland seine Kenntnisse über die Schokoladenherstellung und deren Vertrieb verfeinert hat.

Als erklärter Serien-Junkie und Schokolade-Fan musste ich natürlich zu diesem zweiten Band der Linst & Sprüngli-Saga greifen. Leider hat mich diese Fortsetzung nicht ganz so gefesselt wie der erste Band der Trilogie. Möglicherweise sind über Rodolphe Lindt noch weniger historische Fakten bekannt, die hier eingearbeitet werden hätten können.

Um Verwechslungen mit Rudolf Sprüngli zu vermeiden, wird Rudolph Lindt durchgehend Rodolphe genannt. Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. So kommen Katharina Sprüngli, Binia Haab, Rudolf Sprüngli und Rodolphe Lindt zu Wort.

Leider verzettelt sich die Autorin stellenweise mit ihren detaillierten Beschreibungen von Rudolph Lindts Leben, was leider auf Kosten der Spannung geht. Dabei gäbe es durchaus einiges zur (gesellschafts)politischen Entwicklung Berns zu sagen, ähnlich, wie wir es im ersten Band über Zürich lesen konnten.

Die Geschichte stellenweise plätschert so dahin. Selbst die Aufregung, ob Rodolphes Traum von der eigenen Schokoladenfabrik in Erfüllung geht oder nicht, sowie die Einmischung des Vaters fühlt sich für mich nur lauwarm an. Auflockerung bringt allerdings der begnadete wie eigenbrötlerische Jakob Steiner, den alle Welt nur Köbi nennt.

Als Lisa Graf die Figur der gehörlosen Avéline einführt, dachte ich schon an eine Belebung der Geschichte. Leider verschwindet Avéline so schnell wie sie aufgetaucht ist. Auch aus dem unmöglichen Betragen von Rodolphes jüngstem Bruder Auguste, gemeinhin Satansbraten genannt, hätte ein kolossaler Antagonist werden können. Auch diese Chance, mehr Leben in den Roman zu bringen, wird ungenützt vertan.

Gut gelungen ist die Darstellung des mühevollen Weges zu jener Schokolade, wie wird sie heute kennen. Hier werden wir mit einigen Gerätschaften der Produktion bekannt gemacht. Wer jemals eine Führung durch eine Schokoladenfabrik miterlebt hat, sei es in Brüssel, Brügge, Hamburg oder in Köln bei Lindt & Sprüngli direkt, wird einiges an Fachvokabular wie die Conche (und das Conchieren) wiedererkennen.

Zudem lernen wir die Namen des Who-is-Who der Schokoladenpioniere kennen, neben der in Zürich etablierten Familie Sprüngli, eben den Holländer Van Houten sowie Philippe Suchard, François Callier und Jean Tobler oder Henri Nestlé mit seinem Milchpulver. In dem Zusammenhang gibt es auch einen Hinweis auf die komplexen Regelungen im Patentschutz, die Rodolphe noch einiges Kopfzerbrechen bereiten werden. Spannend auch die Hausordnungen der diversen Fabriken, die Frauen den Zugang zu den Produktionsräumen verbieten. Die Fabriksarbeiterinnen sind für die (angeblich) weniger anstrengende Arbeit der Verpackung der Schokolade angestellt und erhalten entsprechend weniger Lohn.

Der im Untertitel angedeutete Konflikt wird vermutlich erst im dritten Teil der Trilogie so richtig schlagend. Denn es dauert eine geraume Weile bis sich Rudolf von Rodolphe als möglichen Konkurrenten Notiz nimmt.

Obwohl wir die Geschichte der Familie Sprüngli schon im ersten Teil erfahren haben, wird ihr abermals viel Platz eingeräumt. Diesmal stehen neben Rudolf und Katharina auch die nächste Generation im Fokus.

Im Anhang gibt es sowohl ein Personenverzeichnis als auch eine Auflistung einiger Schweizer Ausdrücke wie Znüni etc..
Das Cover orientiert sich sowohl an dem des ersten Bandes als auch an dem Corporate Design von Lindt & Sprüngli.

Diesem zweiten Teil der Trilogie, der sich mit den Anfängen der Schokoladenerzeugung Lindt beschäftigt, gebe ich mit Nachsicht 4 Sterne.




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