Buchbesprechung/Rezension:

Margery Allingham: Campion. Im Schatten der Vergangenheit

Campion. Im Schatten der Vergangenheit
verfasst am 22.09.2025 | einen Kommentar hinterlassen

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Albert Campion ist ein junger Mann mit der Leidenschaft, Geheimnisse aufzuklären. Als Privatdetektiv bezeichnet zu werden, lehnt er jedoch ab, „Abenteurer“ ist ihm als Beschreibung viel lieber.

Also ist es der Start in ein Abenteuer, als ihn Joyce, die Freundin von Marcus, seines alten Freundes aus Studientagen, aufsucht. Ihr Onkel Andrew ist verschwunden, keine Spur von ihm und die örtliche Polizei ist wohl auch keine Hilfe. Campion kann ihre Bitte um Unterstützung nicht ablehnen und reist aufs Land. Das Ziel ist Cambridge und dort das altehrwürdige – andere würden sagen: Das verstaubte und skurrile – Anwesen mit dem Namen Socrates Close.

Es ist der Wohnsitz der Familie Faraday, eine Gesellschaft von gescheiterten, verarmten, seltsamen Leuten, die alle miteinander in jeder Beziehung von Charlotte Faraday, dem achtzigjährigen Familienoberhaupt anhängig sind. Sie hält alles am Laufen und ohne ihre Einwilligung geschieht nichts; und weil ihre Nachkommen allesamt über kein eigenes Einkommen verfügen, ist Widerspruch völlig ausgeschlossen. Joyce ist ihre Lieblingsenkelin und hat also solche etwas mehr Freiheiten (heimlich nach dem Dinner eine Zigarette zu rauchen gehört beispielsweise dazu).

Onkel Andrew ist tot, das kann man verraten, ermordet. Seine Leiche wird am Ufer des nahegelegenen Flusses gefunden und sogleich sind einige der Familienmitglieder mit Verdächtigungen zur Stelle. Unter anderem wird auch ein Mann verdächtigt, dem Campion erst kürzlich begegnet ist. Zufall?

Der ersten Leiche folgt eine zweite und die Familie Faraday zählt schon wieder weniger Köpfe.

Margery Allingham liebt es, das ist unübersehbar, die Protagonisten der Handlung sehr ausführlich zu beschreiben und ihnen Charakter zu geben. Und sie liebt es wenigstens genauso, Dialoge zu schreiben.

Schon von Beginn an lernt man die Familie Faraday als gar nicht homogene Gruppe von eigenwilligen Leuten kennen, die jeweils über ein ganz eigenes Verhalten, eigenen Vorstellungen und einige von ihnen über ein gehöriges Maß an Abneigung untereinander verfügen. Was nicht verwundert, denn einige leben nicht ganz freiwillig unter einem Dach, sondern sind von den Umständen gezwungen, ihr Leben mit den anderen zu teilen. Besonders die 84 Jahre alte Matriarchin Caroline Faraday ist in ihrer Mischung aus Strenge, Stolz und leichtem Humor so präzise beschrieben, dass man sie förmlich an der Spitze der Familientafel sitzen sehen kann. Auch die Nebenfiguren sind so detailreich beschrieben, wie man es in anderen Krimis nicht oft findet.

So entsteht ein dichtes, lebendiges Familienporträt. Damit verknüpft ist auch eine sehr präzise Zeichnung der Gesellschaft in England in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, ihrer Normen und Vorurteile.

Ob das alles aber im Sinn eines überzeugenden Krimis so gut zusammenpasst?

Das Charakterisieren gelingt zwar, aber die sehr ausgiebigen Dialoge, mit denen das meist geschieht, bremsen den Fortschritt der eigentlichen Handlung mehr als einmal zu sehr ab. Das überlädt den Inhalt mit allzu vielen Details, derer es nach meiner Meinung gar nicht bedürfte. Eine größere Dosis Spannung hätte mir stattdessen gut gefallen.

Die Stärke ist somit aus meiner subjektiven Sicht zugleich die Schwäche des Romans. Die detailreiche Darstellung der Charaktere erfolgt oft in langen, verschachtelten Dialogen, in denen weniger Handlung vorangetrieben, als vielmehr Persönlichkeitszüge und familiäre Verhältnisse im Vordergrund stehen. Diese Passagen sind zwar für sich alleine wunderbar gelungen, bremsen zugleich aber den Fortgang der eigentlichen Krimihandlung erheblich.

Man könnte beim Lesen dann und wann ungeduldig werden und rasch weiterblättern …

Fazit:

Campion. Im Schatten der Vergangenheit überzeugt mich wirklich durch die überaus plastische Beschreibung der handelnden Personen enttäuscht mich aber etwas in der Dramaturgie. Das Buch ist insgesamt weniger ein temporeicher Krimi als vielmehr so etwas wie literarische Studie menschlicher Eigenheiten, eingebettet in eine kriminalistische Rahmenhandlung.

PS: Habe ich es übersehen? Ich kann den Roman zeitlich nicht einordnen. Einerseits ist die viktorianische Ära schon vorbei, andererseits ist von der „Queen“ die Rede. Queen Elizabeth II kann es nicht sein, die kam erst 22 Jahre nach dem Erscheinen dieses Romanes auf den Thron. Und Victoria kann es wohl auch nicht sie, denn es gibt im Buch einen Rückblick auf das Jahr 1909 – da war Victoria schon seit acht Jahren verstorben.




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