Buchbesprechung/Rezension:

Christine Neumeyer: Der Offizier der Kaiserin

Der Offizier der Kaiserin
verfasst am 25.04.2024 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Neumeyer, Christine
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Mord auf Schloss Hof

Man schreibt das Jahr 1898. Es ist das Jahr, in dem sich der Regierungsantritt von Kaiser Franz Joseph das 50. Mal jährt. Man begeht das Jubiläum mit einer Ausstellung des niederösterreichischen Gewerbevereins, der die (technischen) Errungenschaften der Donaumonarchie präsentieren soll. Noch weiß der Kaiser nicht, dass es für ihn ein „ annus horribilis“ werden wird. Denn die Stimmen der Rebellion in den Teilen seines Reiches werden lauter und am Ende steht die Ermordung seiner Gemahlin.

Soweit der historische Rahmen, in den dieser Roman eingebettet ist.

Schauplatz ist Schloss Hof, jenes der sechs Marchfeldschlösser das einst Prinz Eugen zu einem feudalen Barockschloss ausbauen hat lassen. Nun wirkt es ein wenig heruntergekommen und es soll über die weitere Nutzung der ehemaligen kaiserlichen Sommerresidenz entschieden werden. Dazu erscheint eine Gruppe von Dragonern unter der Führung des Rittmeisters Tomás Andic, um die Eignung als kaiserliche Reit- und Fahrschule zu erkunden. Selbst Kaiserin Elisabeth lässt sich gnädig herab, eine Stippvisite zu machen.

All dies verursacht eine hektische Betriebsamkeit im Schloss und der Umgebung, die Vergiftung von Ratten, die das Schloss erobert haben, inklusive. Alle verfügbaren Arbeitskräfte, selbst jene, die dem Kaiserhaus kritisch gegenüberstehen, werden vergattert, das Schloss auf Vordermann zu bringen.

Doch dann wird Andic, der mit Irmi, einem der Dorfmädchen eine Liebschaft begonnen hat, erschossen im Wald aufgefunden. Die Tat eines Rebellen, von denen es in der Umgebung wimmelt?

Der Polizeiagent Johann Pospischil und sein Assistent Dr. Frisch werden aus Wien nach Groißenbrunn beordert, um den Mord aufzuklären. Wie immer, wenn es im Dunstkreis des Kaiserhauses zu ermitteln gilt, ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Doch je tiefer sie in die Geheimnisse des Ortes eindringen, desto klarer wird, dass hier nicht alles so ist, wie es scheint und das Motiv für den Mord woanders zu suchen ist.

Meine Meinung:

Die Idee, Schloss Hof als Schauplatz eines Mordes zu wählen, hat mir sehr gut gefallen. Allein mit der Umsetzung bin ich nicht allzu glücklich.

Die Autorin hat sich bei einigen technischen Errungenschaften, die Freiheit genommen, ein wenig in der Historie vorzugreifen. So gibt es in Groißenbrunn bereits elektrischen Strom, obwohl das Dorf zu den ärmlichen Siedlungen im Marchfeld gehört (wohlhabende städtische Privathaushalte verfügen erst ab ca. 1920 über Elektrizität), Frau Grünanger näht mit einer elektrischen Nähmaschine „ zick-zack“, obwohl diese erst ab den 1930-er Jahren zu kaufen ist, die Polizeiagenten verwenden die Daktyloskopie wie heute (eingeführt wurde sie versuchsweise erst 1902 und endgültig etabliert und patentiert 1911) oder sie rattern mit einem der Automobile von Wien nach Groißenbrunn. Leider gibt es hierzu keine Anmerkung im Vorwort oder Nachspann. Diese Vorgriffe auf die Moderne wirken, als wäre das Buch nicht sehr sorgfältig recherchiert. Das stört mich schon ziemlich, denn da bin ich ein wenig pedantisch. Auf Nachfrage in der Leserunde antwortet die Autorin leider ein wenig unwirsch, sie hätte keinen historischen Roman geschrieben. Hm, was ist das Buch dann?

Die Autorin bemüht sich, die Leser auf den Holzweg zu schicken, um das wahre Motiv zu verschleiern. Gut sind die Standesunterschiede herausgearbeitet, die dem aus kleinen Verhältnissen stammenden Pospischil nicht erlauben, einen Adeligen ordentlich zu verhören. Im Gegenteil, er wird, nach einer Beschwerde desselben, noch von seinem Vorgesetzten gemaßregelt, bei Befragungen des Adels, das nötige Fingerspitzengefühl nicht angewendet zu haben. Hier muss ich anmerken, dass Befragungen des Adels durch die Polizei in Wirklichkeit nicht Subalternen, wie eben Pospischil, überlassen worden ist, sondern der Herr Polizeipräsident hat sich da häufig selbst bemühen müssen. Ja, der Standesdünkel reitet hier gemeinsam mit dem Amtsschimmel.

Aufgefallen ist mir, dass einige lose Enden nicht ordentlich verknüpft wurden. So wird einer möglichen Krankheit Irmis, durch Vergiftung mit Rattengift (Arsen), anfänglich große Wichtigkeit beigemessen, um anschließend plötzlich kein Thema mehr zu sein.

Auch das Verschwinden von Asservaten aus dem Archiv des Polizeipräsidiums wird großes Aufhebens gemacht und eine mysteriöse Frau mit Kopftuch (eine Putzfrau?) wird ins Spiel gebracht, die dann sang- und klanglos in der Versenkung verschwindet. Solche losen Enden mag ich gar nicht. Soll hier der Leser die Geschichte zu Ende spinnen? Oder ist der Gedanke der Autorin dann doch nicht wichtig genug?

Diese losen Enden und die eigenmächtige „Technisierung“ des Jahres 1898 kosten den 4. Stern, den ich ursprünglich vorgesehen habe.

Die Charaktere sind recht gut gelungen. Wir erhalten einen kurzen Einblick auf die soziale Situation in der Hauptstadt der Donaumonarchie: Der Bau der Ringstraße und der Palais‘ haben Heerscharen von billigen Arbeitskräften nach Wien strömen lassen, die sich wegen der Hungerlöhne mehr schlecht als recht über Wasser halten können. Das Gespenst der Mieterhöhung bedroht auch Pospischil, der in der Wohnung seiner Schwester Gerti ein Kabinett bewohnt. Der Titel erinnert an die TV-Serie „Kurier der Kaiserin“, die in den Jahren 1968/69 über die Mattscheibe geflimmert ist. Klaus-Jürgen Wussow verkörpert den wackeren Kurier Maria Theresias, der für seine Majestät durch dick und dünn reitet.

Fazit:

Ein netter historischer Roman, der seine Fans finden wird, wenn man nicht allzu sehr auf historische Genauigkeit Wert legt. 3 Sterne.




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