Arthur Schnitzler: Leutnant Gustl
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Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Die Novelle vom überspannten Ehrenkodex
Eine unvorstellbare Erniedrigung, wenn man von einem Zivilisten zurechtgewiesen wird. Jedenfalls für einen wie den Leutnant Gustl, Offizier der Armee seiner Majestät des Kaisers.
So kommt es dazu: nach einem Konzert, das er gelangweilt über sich ergehen ließ, muss der Leutnant sich mit dem gemeinen Volk vor der Garderobe anstellen, um seinen Mantel zu bekommen. Im Gedränge gerät Gustl mit einem ihm bekannten Bäckermeister aneinander. Es wäre kaum erwähnenswert gewesen, hätte eben dieser Bäckermeiste nicht Gustls Säbel ergriffen und gedroht, diesen zu zerbrechen. Den Säbel eines Offiziers! Dazu nannte ihn der Mann auch noch „Dummer Bub“!
Ein beispielloser Affront, der umgehend mit der Aufforderung zum Duell zu beantworten gewesen wäre, wäre der Kontrahent kein Bäckermeister und also solcher nicht satisfaktionsfähig. Was also hat ein Mann von Ehre in so einem Fall zu tun.
Die Novelle ist zur Gänze ein innerer Monolog des Leutnants. Wie er das Konzert verfolgt und dabei nur daran denkt, dass es so rasch wie möglich zu Ende gehen sollte. Wie er seine Umgebung immer sondiert, ob sich nicht ein weibliches Wesen für eine kleine Liebelei anbieten würde. Dann die unerwünschte Nähe zu anderen, als er sich vor der Garderobe anstellen muss und letztendlich dieses unerhörte Ereignis, das Gustl völlig aus der Bahn wirft.
Was, wenn jemand davon erfährt, wenn der Bächermeister, der Schurke, jemandem davon erzählt. Was würden seine Kameraden, seine Vorgesetzten, was würde sine Familie von ihm denken, dass er sich so hatte düpieren lassen. Bald erscheint ihm einzig der Selbstmord als adäquate Lösung für sein Dilemma.
In Gustls Gedanken liest man über die ganze Absurdität der Standesdünkel, von der überzogenen Stellung des Militärs in der ausklingenden Donaumonarchie, über den Geist einer Gesellschaft, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts innerlich erstarrt ist. Aber auch davon, dass man sich selbst in eine anscheinend ausweglose Lage hineinmanövrieren kann, wenn man sich davor fürchtet, jemand anderen ins Vertrauen zu ziehen.
Kurz, aber sehr eindrucksvoll!