Owen Rees: Eine unerzählte Geschichte der Antike
Auf den Spuren vergessener Orte – von Britannia bis Vietnam
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Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Was geschah abseits der historischen „Schwergewichte“ wie Ägypten, Mesopotamien, Griechenland oder Rom?
Wenn das Wissen über die Ursprünge unserer europäischen Zivilisationen weit verbreitet und umfangreich erforscht ist, bleibt das, was abseits davon geschah, eine weitgehend unbekannte und wenig beachtete Welt. Das Thema dieses Buches ist genau deshalb für Geschichtsinteressierte interessant – denn so etwas wie scharf abgegrenzte Linien zwischen Hochkulturen und dem umgebenen Land gab es natürlich nicht. Alles floss über Jahrhunderte und Jahrtausende ineinander, die Einflüsse auf Gesellschaft, Lebensweise und Kultur wirkten in beiden Richtungen.
Owen Rees beschreibt diese Orte als Schmelztiegel und Bindeglied, als Brücke zwischen den Sphären der großen Zivilisationen oder zwischen diesen und den umgebenden Regionen. In der überaus bildlichen Darstellung liest man dann über die Lebensbedingungen von Handwerk bis Ernährung, politische Strukturen bis hin zu Episoden aus dem Leben einzelner Bewohnern, zu denen es Überlieferungen gibt.
Was deutlich wird ist, dass diese Außenposten eine Art von Weichen oder Schleusen darstellten, über die Wissen und Kultur, immer weiter verteilt und geteilt wurden; in beiden Richtungen wohlgemerkt. Rom wurde also ebenso beeinflusst, wie es die Länder der „Barbaren“ beeinflusste.
Mit dem Hinweis auf oftmals geschönte bzw. den jeweiligen Umständen angepasste Berichte von Zeitgenossen wird bei den meisten Kapiteln deutlich, dass man bei der Erforschung nie ganz sicher sein kann, ob das überlieferte tatsächlich so geschah. Wenn von Fabelwesen oder Gottheiten zu lesen ist, dann mag das offensichtlich sein, aber auch scheinbar sachliche alte Berichte können mehr der Fantasie des jeweiligen Autors als der Realität entsprechen. Oft lassen sich wirkliche Ereignisse von Mythen nicht unterscheiden, meist steckt aber in den Mythen ein Stück realer Hintergrund.
Diese Schwierigkeit betont Owen Rees immer wieder und weist darauf hin, dass viele der historischen Fakten zwar einer wissenschaftlich fundierten Einschätzung folgen, die aber dennoch nicht zu 100 % gesichert ist.
Dennoch liefert dieses Buch interessante und manchmal spannende Informationen zu Orten und Zeiten, die größtenteils im Schatten der Hauptschauplätze unserer europäischen Geschichte lagen. Vieles davon ist untergegangen und nur noch wenige Fundstücke oder Dokumente erinnern daran: die Siedlungen am Turkana-See in Kenia, von dem unsere Vorfahren vor Jahrzehntausenden aufbrachen oder das legendenumwobene Königreich Kusch im Süden des alten Ägypten; oder Meggido, eine Stadt, die jahrhundertelang im Brennpunkt des Handels und der politischen Umwälzungen im Nahen Osten stand. Untergegangen sind auch viele Siedlungen, die Griechen oder Römer rund um das Mittelmeer gründeten und über die Kultur und Waren weiter verbreitet wurden, als wir es uns gemeinhin vorstellen. Manches hingegen existiert bis heute, wie die tatsächlich uralte Stadt Marseille oder die Überreste des Hadrianswalls.
Interessant ist auch zu lesen, wie weit die Verbindungen damals reichten. Selbst mit weit entfernten Weltgegenden gab es einen Austausch, weshalb sich auch ein Ort in der Nähe des heutigen Hanoi in Vietnam im Buch findet. Ein Brückenkopf zwischen den Hochkulturen des Mittelmeerraumes, Indiens und Chinas, über den es wenigstens indirekt einen Warenaustausch über den gesamten eurasischen Kontinent gab.
Die 13 Stationen, Orte. Regionen sind nur ein kleiner Ausschnitt aus den Jahrtausenden. Aber damit füllen sich ein paar Leerräume in den Lücken, die in unsere Geschichtsbücher bleiben. Alltag und Weltbild der Menschen jener Zeiten werden damit deutlicher. Wie die Welt damals auf den einzelnen gewirkt haben mag, wie es sich lebte, das lässt sich jedenfalls ansatzweise nachvollziehen.
„Eine unerzählte Geschichte der Antike“ ist ein sehr empfehlenswerte Leküre für alle, die mehr über die Entwicklung der Zivilisationen erfahren und dabei einen Einblick erhalten möchten, wie Kommunikation schon seit Jahrtausenden auch über große Entfernungen funktioniert.