Keigo Higashino: Der Baum der verborgenen Erinnerungen

Autorin/Autor: Higashino, Keigo
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Britta
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In diesem Roman geht es um einen jungen Mann namens Reito. Er ist der uneheliche Sohn einer Prostituierten und lebt nach deren Tod bei seiner Oma Fumi. Die Lebensumstände sorgen dafür, dass er ins Gefängnis kommt. Da taucht seine reiche Tante Chifune Yanagisawa auf und nimmt ihn unter ihre Fittiche. Als Gegenleistung soll er die Aufsicht des Kampferbaumes übernehmen, bei dem immer wieder Andachten stattfinden. Diesem Baum werden besondere Kräfte nachgesagt.
„Wenn man am Ende des Pfads angelangt war, lichtete sich das Gestrüpp, und man konnte direkt auf den Baum blicken, der einem riesigen Ungeheuer glich – den Kampferbaum. Mit seinen mindestens fünf Meter Durchmesser war er ein Koloss. Er war über zehn Meter hoch. Dicke Äste, die sich am Stamm entlang in die Höhe wanden, erinnerten an ineinander verschlungene Riesenschlangen.“
Im Laufe des Romans erfährt man immer mehr über Reitos Familiengeschichte und auch über die Geschichten zweier weiterer Familien.
Dabei wächst er einem beim Lesen mehr und mehr ans Herz und sein kluger Charakter tritt immer deutlicher in Erscheinung.
„Ich bin ohne irgendetwas aufgewachsen. Ich musste allein für mich sorgen. Das ist bis heute so geblieben, und ich denke, es wird auch morgen noch so sein. Aber ich trage es mit Fassung. Denn weil ich nichts zu verlieren habe, habe ich auch keine Angst. Ich schätze jeden Moment für das, was er ist.“
Mein Fazit:
Dieser Roman hat mir beim Lesen wirklich Mühe bereitet. Ruhig und in einer einfach wirkenden, puristischen Sprache erzählt der Autor die Geschichte von Reito. Viele Seiten lasen sich unaufgeregt und ohne, dass sich mir der Sinn des Kampferbaumes erschloss. Als rational denkender Mensch konnte ich wenig mit der Mystik, die hinter dem Kampferbaum steht, anfangen. Und so plätscherte die Geschichte fast ein bisschen langweilig dahin.
Mit Schmunzeln musste ich daran denken, wie meine japanische Bekannte einmal mit mir Reis gekocht hat und ich es kaum ausgehalten habe, ihr bei den bedachten, ruhigen Bewegungen zuzuschauen. Meine Gedanken damals: „Wie kann man nur so umständlich und zeitaufwendig Reis kochen!“. Trotzdem beobachtete ich sie damals mit einer Mischung aus Unverständnis und Bewunderung. Dieses Ereignis ist mir bis heute in Erinnerung geblieben. Und so lässt sich für mich auch dieses Buch zusammenfassen: Wie kann man nur so ein Buch schreiben! Und dennoch hat es mich am Ende fasziniert.
In dem scheinbar so ruhig dahinfließenden Text stieß ich dann doch immer wieder auf Worte, die mich tief berührten. Es fühlte sich ein wenig wie Meditation an, bei der man sich der Stille hingibt und darin Momente des Erkennens und Tiefgangs passieren. Außerdem beeindruckten mich so manche Beschreibungen des Autors, die sich fast wie Poesie lasen.
Das Ende des Buches hat mir am besten gefallen. Nachdem ich es geschafft hatte, die ganzen 497 Seiten aufmerksam zu lesen, muss ich sagen, dass ich ein Fan geworden bin.
Und ich bin froh bis zum Ende durchgehalten zu haben, obwohl ich dazwischen mehrfach meinte, das Buch sei mir zu langweilig. Nun werde ich von diesem Autor wohl doch noch weitere Romane lesen.
Zusammengefasst ein Buch, das unaufgeregt erzählt wird und vom Leser vor allem Zeit und Mut zur Andersartigkeit fordert. Also vielleicht genau das richtige Gegenmittel für unsere schnelllebige Zeit.