Buchbesprechung/Rezension:

Michaela Lindinger: Elisabeth Petznek
Rote Erzherzogin – Spiritistin – Skandalprinzessin

Elisabeth Petznek
verfasst am 28.02.2024 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Biographien, Lindinger, Michaela
Buchbesprechung verfasst von:
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Von der Erzherzogin zur Sozialdemokratin

Beim Namen Elisabeth Petznek werden sich viele Menschen fragen: Wer zur Hölle soll diese Frau gewesen sein? Den Namen habe ich noch nie gehört!

Nun, dieses Rätsel kann gelöst werden: Elisabeth Petznek wurde am 2. September 1883 als Elisabeth Marie Henriette Stephanie Gisela von Österreich , also als Erzherzogin von Österreich geboren. Sie war das einzige Kind von Kronprinz Rudolf und seiner Gemahlin, der belgischen Prinzessin Stephanie. „Erzsi“, wie sie in der Familie genannt wurde, war fünf Jahre alt, als ihr Vater Rudolf zuerst seine Geliebte Mary Vetsera und anschließend sich selbst tötete. Ein ziemlich traumatisches Erlebnis für das kleine Mädchen.

Als Tochter des Kronprinzen war sie in der Thronfolge die nächste und wurde ursprünglich als Nachfolgerin von Franz Joseph vorgesehen. Man spekulierte mit einer Verbindung zum Deutschen Kaiserhaus. Doch als sie sich mit knapp 17 Jahren den um zehn Jahre älteren Otto zu Windisch-Graetz verliebt und 1902 die Heirat bei Großvater Franz Joseph auf Biegen und Brechen durchsetzt, muss sie aus dem Haus Habsburg-Lothringen ausscheiden und auf die Thronfolge sowie alle (auch finanzielle) Ansprüche verzichten. Denn Otto ist zwar von hohem Adel, aber nicht standesgemäß. Eine Ehe galt gemäß der Habsburgischen Heiratsgesetzen nur dann als standesgemäß, wenn sie mit einem anderen Mitglied des Erzhauses oder mit Mitgliedern eines anderen regierenden oder diesem gleichgestellten Haus geschlossen wurde. Diese Vorschrift wird bei der Hochzeit von Franz Ferdinand, dem nächsten Thronfolger, noch eine wichtige Rolle spielen.

Aber zurück zu Elisabeth, nunmehrige Fürstin Windisch-Graetz. Die Ehe mit Otto, aus der vier Kinder hervorgehen, scheitert spätestens während des Ersten Weltkriegs.

Kurz nach dem Ersten Weltkrieg kommt sie mit der Sozialdemokratie in Berührung, öffnet ihren Schlossgarten auf Schloss Schönau (Niederösterreich) für die Kinder der Arbeiterinnen und unterstützt die Menschen in ihrer Umgebung. Nun wird sie, manchmal despektierlich, manchmal respektvoll die „rote Erzherzogin“ genannt und häufig mit immer noch mit „Kaiserliche Hoheit“ angesprochen.

Eine Scheidung von Otto ist erst 1924 möglich. Zuvor liefert sich das Paar einen Rosenkrieg um die Kinder. Otto zettelt 1921 einen veritablen Sorgerechtsstreit an, bei dem die Kinder dem Vater zugesprochen werden und in dessen Verlauf der Richter samt Gerichtsvollzieher und 22 Gendarmen die Kinder aus dem Schloss Schönau abführen wollten. Doch rund hundert sozialdemokratische Arbeit blockierten den Eingang und vereiteln die Amtshandlung. Letztendlich blieben die Kinder bei Elisabeth.

Auch Elisabeths weiterer Lebensweg gleicht einer Hochschaubahnfahrt. Die Scheidung von Otto ist erst 1924 möglich. Sie wird nach Wien ziehen, den Ständestaat, die NS-Diktatur und die Delogierung aus ihrem Anwesen am Wolfersberg durch die französischen Besatzer überstehen. 1948 heiratet sie den sozialdemokratischen Politiker Leopold Petznek, der die NS-Zeit in KZ verbracht hat. Erst mit dem Staatsvertrag von 1955 erhält sie die Villa am Wolfersberg wieder zurück. Leopold Petznek stirbt 1956, Elisabeth 1963. Auf eigenen Wunsch wird die Grabstätte keinen Namen tragen. Sie verfügt also eine „damnatio memoriae“ über sich selbst. Wahrscheinlich hätte sie sich auch gegen die Benennung der „Elisabeth-Petznek-Gasse“ gewehrt. 1963 hat sie einen großen Teil ihres Anwesens an die Stadt Wien verkauft und verfügt, dass dort Sozialwohnungen errichtet werden.

Diese ungewöhnliche Frau hat zu guter Letzt ihren Kindern und anderen Verwandten, die sie der Habgier bezichtigt, einen Strich durch die Erwartungen zum Erbe gemacht: Sie hat Folgendes verfügt: „Kaiserlicher Besitz soll nicht Ausländern zukommen und darf nicht in Auktionen versteigert werden.“

Diese Biografie ist der vierte Band aus der Reihe „Reihenweise kluge Frauen“ aus dem Verlag Molden. Autorin und Historikerin Michaela Lindinger nimmt sich in ihren Büchern der Biografien interessanter Frauen an. Für diese Reihe hat sie zunächst ein Buch über Hedy Lamarr (2019), das vorliegende über Elisabeth Petznek (2021) sowie eines über Marie Antoinette (2023) geschrieben. Wie alle Bücher dieser Reihe ist auch dieses in gediegener Ausstattung als Hardcover erschienen. Das Buch ist sehr gut strukturiert und enthält zahlreiche Abbildungen. Wer noch mehr über die 1,90 große Erzherzogin lesen möchte, dem empfehle ich Friedrich Weissensteiners Biografie „Die rote Erzherzogin“ und den biografischen Roman von Martin Prinz „Die letzte Prinzessin“.

Fazit:

Dieses gelungene, facettenreiche Porträt einer höchst interessanten Frau erhält von mir 5 Punkte.




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