Buchbesprechung/Rezension:

Clementine Skorpil: Max Leitner
Ausbrecherkönig

Max Leitner
verfasst am 03.01.2024 | einen Kommentar hinterlassen

AutorIn & Genre: Biographien, Skorpil, Clementine
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

„Kein ” Häf ´n” konnte ihn halten: “Ausbrecherkönig” wieder freier Mann“

So lautet der Bericht einer Wiener Tageszeitung am 1. Dezember 2023, zur Aufhebung aller Bewährungsauflage von Max Leitner , der im Mai 2023 aus dem Bozener Gefängnis entlassen und zunächst zu Hausarrest verurteilt worden ist. Der Gesundheitszustand des nunmehr 65-Jährigen bedeute keine Gefahr mehr für die öffentliche Sicherheit.

Max Leitner?
Wer zur Hölle ist Max Leitner?

Viele von uns werden diesen Namen noch nie gehört oder gelesen haben. Die österreichische Autorin Clementine Skorpil nimmt sich in diesem Roman der Lebensgeschichte jenes Mannes, der Jahre lang die Behörden in Österreich und Italien in Atem gehalten hat, an. Dabei verknüpft sie eindrucksvoll Dichtung mit Wahrheit.

Max Leitner stammt aus einer armen Südtiroler Familie und beginnt mit Gleichgesinnten Ende der 1980er-Jahre in Südtirol Banken zu überfallen.

Seinem Ruf als „Ausbrecherkönig“ ist Max Leitner in der Vergangenheit mehr als gerecht geworden. Hier ein Auszug aus seinem „Speiszettel“, wie der Strafregisterauszug in der Sprache der Kriminalisten genannt wird:

  • Im August 1990 versuchte er in der Nähe der Ausfahrt Innsbruck-Süd der Brennerautobahn mit Komplizen, einen mit 90 Millionen Schilling beladenen Geldtransporter zu überfallen. Der Coup wurde allerdings durch eine Spezialeinheit der Gendarmerie vereitelt, Leitner nach einem Schusswechsel gestellt und schließlich von einem Geschworenengericht zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Wenige Tage später gelang ihm die Flucht. Die Haftbedingungen in Österreich bezeichnete er als „mittelalterlich“.
  • Seine Haft setzte Leitner in Bozen fort, wo er sich laut Angaben der Gefängniswärter „vorbildlich“ verhielt, bis er sich eines Tages mit Leintüchern abseilte und das Weite suchte.
  • Im Mai 1993 wurde er vorübergehend wieder gefasst. Während eines Hafturlaubs kehrte Leitner 2002 jedoch nicht mehr ins Hochsicherheitsgefängnis in Padua zurück.
  • Nach dem Banküberfall 2003 wurde er nach einer tagelangen, aufsehenerregenden Flucht von einem Großaufgebot der Carabinieri in einem Maisfeld bei Bruneck geschnappt. Er wurde verurteilt und in das Gefängnis nach Bergamo gebracht, auch damals nur vorübergehend.
  • Eine Flucht im Dezember 2004 nahm mit einer Verhaftung in Marokko ein jähes Ende.
  • Im Oktober 2011 kehrte er dann von einem Freigang nicht mehr ins Gefängnis von Asti im Piemont zurück.
  • Im Dezember desselben Jahres wurde er schließlich erneut geschnappt.

Bei dem Überfall auf einen Geldtransporter auf österreichischer Seite des Brennerpasses wird er angeschossen und zum ersten Mal zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Er wundert sich, dass ihn die österreichische Polizei nicht er-, sondern nur anschießt. Man erklärt ihm diese Vorgangsweise mit dem österreichischen Rechtssystem, dem er sich durch eine Flucht entzieht.

„Bei seiner ersten Verhaftung in Österreich wird Max von der Polizei angeschossen. Als er sich wundert, warum er noch lebt, erklärt ihm ein Polizist, dass Warn- und Streifschüsse sowie Schüsse, „um den Täter unschädlich zu machen, also Knie, Hand et cetera“, zulässig seien. „Aber wenn einer ex geht bei einer Schießerei, hast du nur Scherereien.“ „Dann hat mir also ein Formular das Leben gerettet“, will Max wissen. „Könnte man so sagen“, antwortet der Polizist todernst.“ (S. 42)

In seiner langen „Karriere“ als Ausbrecherkönig bricht er insgesamt fünfmal und wird letzten Endes doch gefasst. Knapp 30 Jahre bekommt er insgesamt aufgebrummt. Max Leitner sieht sich als Justizopfer. Er hätte niemals auf Menschen gezielt, so seine Argumentation. Unrechtsbewusstsein scheint er keines zu besitzen.

Soweit die Kurzbiografie, die die Autorin in einen fesselnden Roman verpackt hat. Dem echten Max Leitner stellt sie den fiktiven Staatsanwalt Fabio Pagano gegenüber, dessen Lebensziel ist, die Mafia zu zerschlagen, die 1992 seine Vorbilder Giovanni Falcone und Paolo Borsellino ermordet haben sowie Max Leitner wieder hinter Gitter zu bringen. Vor allem auch deswegen, weil sich Leitner Mitglieder verschiedener Mafia-Familien bedient, um aus den diversen Gefängnissen auszubrechen.

Neben dem Katz-und-Maus-Spiel Leitners mit den Behörden gewährt die Autorin auch einen Einblick in die Gefängnisse und in die unterschiedlichen Rechtssysteme.

Spannend, weil ich sie zum Teil selbst erlebt habe, ist die Zeitreise in die Amtsstuben. Anfang der 1990er-Jahre hält die Büroautomation ihren zögerlichen Einzug in die Büros. War die Jahre zuvor, die mechanische und später dann die Kugelkopfschreibmaschine (wie sie der fiktive Pagano aus eigener Tasche bezahlt) das übliche Werkzeug, so werden die Büros nun mit Computern ausgestattet. Das für uns heute alltäglich Mobiltelefon steckt noch in den Kinderschuhen und ist als „Telefonierknochen“ nun ein Museumsstück.

„Dennoch folgt dieser Roman Max Leitners Spuren, und viele der unglaublichsten Episoden haben sich tatsächlich zugetragen“, schreibt die Autorin im Nachwort (S. 309).

An einigen Stellen ist Max Leitner fast wehleidig. Es sind immer die anderen, die an seinem Schicksal schuld sind, nie er selbst. Während seines Aufenthaltes in Österreichs bekanntester Strafanstalt Stein, beklagt er:

„Einer hat Prostituierte stranguliert. Aber nein, der wurde vor zwei Jahren entlassen, weil er so schön Gedichte geschrieben hat.“ Er meint damit den Frauenmörder Jack Unterweger.

Interessant auch zu lesen, wie Frauen sich zu Gefängnisinsassen hingezogen fühlen, zu Max Leitner oder eben auch zu Jack Unterweger. Dass Macht erotisch macht, ist ja bekannt, aber ein verurteilter Schwerverbrecher?

Fazit:

Diesem Roman, der einen, ob man will oder nicht, in den Bann zieht und bei dem schwer zu sagen ist, was Wirklichkeit und was Fiktion ist, gebe ich gerne 5 Sterne.




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