Buchbesprechung/Rezension:

Senf, Jochen: Nichtwisser

verfasst am 17.08.2009 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Senf, Jochen
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[Gesamt: 1 Durchschnitt: 3]

senf-nichtwisserFritz Neuhaus, 48 Jahre alt, macht unterschiedliche Jobs. So eine Mischung aus Schnüffler, Firmensanierer (oder -zerstörer, je nachdem, aus welcher Perspektive man diesen Job betrachtet), Moralist. Er hat eine schwierige Kindheit hinter sich. Seine Mutter hat ihn mehrmals in der Badewanne sexuell missbraucht, sozusagen als stimulierendes Vorspiel, um sich dann mit dem ansässigen Priester zu vergnügen. Eine verkorkste Mutterbeziehung, die eigene Sexualität als abgespaltenes Eigenleben definierend, sich selbst immer wieder neu in unterschiedlichen Situationen erfinden. Das ist Fritz Neuhaus. Mit 18 Jahren haut er von zuhause ab und geht nach Berlin.

Fritz ist der Sohn einer Kürschnerin, die ihn zur Strafe immer wieder in einen Schrank sperrt. Genau aus diesem heraus, aus dem Schlüsselloch, beobachtet er, wie der Priester vor seinen Augen die Mutter vernascht. In dem Schrank werden mittels unzähliger Mottenkugeln die Pelze von Ungeziefer geschützt. Fritz flüchtet von sich aus in diesen betäubenden Duft und sieht sich die Welt durch das Schlüsselloch an.

Irgendwann, so mit 18, war die Situation unerträglich, er spaltet seine Kindheit ab und geht nach Berlin. Dort gerät er als kleiner »Schnüffler« in eine heikle Situation. Während er in seinem Stammcafe sitzt, taucht eine geheimnisvolle rothaarige Frau auf und übergibt ihm einen Koffer. Sie möchte, dass Fritz über mysteriöse Vorgänge in einem Flüchtlingslager nahe Saarbrücken recherchiert. Außerdem soll er eine gewisse Martha Klein finden. Sie war ärztliche Gutachterin. Mittels brutaler Methoden hätte sie Geständnisse der Flüchtlinge erpresst, Traumatisierungen neu heraufbeschworen – und –  sie hat viele Gutachten positiv ausstellt, sodass Asylanten in ihr Heimatland abgeschoben wurden.

Ausgestattet mit einem Koffer voll brisanter Inhalte schickt die rothaarige Unbekannte Fritz Neuhaus in eine Geschichte, die in auch in seine Kindheit zurück führt.

Nach 30 Jahren macht er sich gemeinsam mit der Psychiaterin Barbara Vogelweide in die Stadt Saarbrücken auf, in der er aufgewachsen ist. Unter anderem wollen die beiden klären, warum Dr. Nemec, ein guter Freund Barbaras und Psychiater des Asylantenheimes, getötet wurde. Auf den Weg in die Stadt seiner Jugendzeit holen ihn die Ängste wieder ein, und auch die pornographischen Szenen, die der Protagonist in seiner frühen Jugend  miterleben musste.
Die geheimnisvolle Kofferübergabe und die Vergangenheit Fritz Neuhaus haben einen Zusammenhang, den dieser freilich erst zu spät erkennt.

Dieses Buch ist kein gewöhnlicher Krimi. Jochen Senf, u.a. als Darsteller des Kommissars Balu, der Krimireihe „Tatort“ bekannt, erzählt mehrere Geschichten nebeneinander. Die über Fritz Neuhaus’ Kindheit – Erlebnisse im Schrank und eine grausame Jugendgeschichte – und die unglaublichen Vorkommnisse in den Asylantenghettos. Im Endeffekt erfährt man so alles Vieles, was einen ziemlich erschreckt. Geschichten über traumatisierte Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, Vergewaltigungen von bosnischen Frauen, Massenmorde, Organhandel, unbewältigte Kindheitserinnerungen. Eine Geschichte, in die auch die Geheimdienste BND und CIA verstrickt zu sein scheinen … mit ungewöhnlichem Ausgang!




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