Buchbesprechung/Rezension:

Goldt, Max: Die Aschenbechergymnastik

verfasst am 09.07.2011 | 1 Kommentar

AutorIn & Genre: Goldt, Max, Satire
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Wiederholt wurde an mich die Frage herangetragen, welche Art von Lektüre ich denn für den Sommerurlaub als besonders passend erachte. Dazu muss ich vorausschicken, dass ich selbst niemals urlaube, sondern die gute, alte Sommerfrische in atemberaubend schönen Landschaften mit kristallklaren Seen, balzenden Auerhähnen und jodelnden Sennerinnen, dem kontinuierlich gegrillt werden an verdreckten, meist überfüllten und ergo lauten Stränden, vorziehe. Ich kann ihnen daher nur eines raten: vergessen sie mir die Satire nicht, denn sie (v)erklärt das Leben und je nach Destination werden sie sie vielleicht brauchen, wie einen Bissen Brot.

Womit wir beim Thema wären: ein weiterer Sammelband mit Texten, Karikaturen, Gedichten, Miniaturkammer- und anderen Spielen von und mit Max Goldt ist in meine Hände und folglich über die Augen auch ins Gehirn geraten. „Best of Nicht-Kolumne 1982-1998“ nennt es sich im Subtitel. Und im Vergleich zu den veröffentlichten Kolumnen in „Okay Mutter, ich nehme die Mittagmaschine“ fehlt mir ein bisschen der gnadenlose Esprit, sowie der (permanent) überragende Wortwitz in den Texten – ob sie es deswegen nicht zu Kolumnenehren geschafft haben? Darüber zu spekulieren liegt mir fern.

Daher gibt es diesmal in der Bewertung einen Punkt weniger, aber das wird dem Max Goldt so was von wuarscht sein und mir eigentlich auch, da es trotzdem ein Genuss war, den vorliegenden Band zu studieren. Es kommt halt immer auf den Standpunkt an, von wo man niveaumäßig eine Stufe nach unten plumpst.

Aufmerksame, gedächtnisstarke Leserinnen und Leser werden sich erinnern, dass ich beim letzten Mal empfohlen habe, besonderes Augenmerk bei der Lektüre auf eine satirische Umgebung zu legen, um verstärkende Effekte zu erzielen. Neben den schon traditionellen Eisenbahnfahrten wählte ich diesmal auch das Freibad meines Heimatortes als Studierstube. Und ich hatte kaum die Decke ausgebreitet, schon schlug sie wieder zu, die allgegenwärtige, überall lauernde Realsatire.

Eine ältere Dame kam in diesem Kleinod der Nässe auf mich zu und fragte, ob es denn im Schwimmbecken Usus sei, sich automatisch zu duzen. (Hier muss ich anmerken, dass ich in meinem Heimatort als Benimm-Papst gelte, geschult in den Fragen der Etikette und des sicheren Trittes auf jedwedem gesellschaftlichen Parkett, wenn sie so wollen bin ich so eine Art Schäfer-Ellmayr der Provinz.)

„Ein Schwimmbecken ist keine Almhütte, gnädige Frau“, antwortete ich wahrheitsgemäß und musste beobachten, wie besagte Dame unmittelbar darauf einer Gruppe äußerst rüstiger, braungebrannter Pensionisten, die dem fröhlichen Kartenspiel frönten, einen lautstarken Vortrag über die Maximen der sozialen Interaktion in kommunalen Freizeiteinrichtungen hielt, gipfelnd in dem Satz „Schämen sie sich, du alter Lustmolch!“

Wenn ich mich recht erinnere wollte ich ihnen aber eigentlich etwas zum vorliegenden Buch erzählen. So soll es auch sein. Max Goldt betrachtet darin das Leben wieder einmal in all seinen, auch noch so unbedeutend erscheinenden Facetten, quasi von A wie „Affe in Milch 1&2“ bis Z wie „Zischelnde Mädchen im deutschsprachigen Teil Belgiens“, ingesamt stattliche 86 Beiträge!

Besondere Emotionen löste bei mir der Text „Das innere Singen des Dampfes“ aus, wo es um den Vortrag eines Physikers während einer Tagung zur Erforschung des ordinären Wasserdampfes ging. Und wenn ich nur das Wort Physiker höre, schwellen mir schon die Kabeln im Hals. Dazu ist eine weitere Erklärung vonnöten.

Neulich studierte ich aus reinem Jux und ebensolcher Tollerei die Ergebnislisten von Triathlonbewerben in unserem Land und machte die Entdeckung, dass ein beträchtlicher Teil der Sportskanonen „Physiker“ als Berufsbezeichnung angegeben haben.

Um aber bei einem Ironman ins Ziel zu kommen, bedarf es entsprechender Vorbereitung, sprich da geht praktisch viel Zeit drauf. Und diese fehlt dann klarerweise bei der beruflichen Forschung, wo eigentlich menschliche und künstliche Gehirne glühen, sowie Teilchenbeschleuniger oder was weiß ich rotieren sollten, damit die Geisel der Menschheit in Urlaubs- und Stoßzeiten, nämlich der Stau endlich der Vergangenheit angehört.

Jawohl ich spreche vom Beamen, bestens bekannt aus der Fernsehserie „Raumschiff Enterprise“, das bei ein wenig mehr Engagement der Damen und Herren Physiker bereits zu menschlicher Serienreife gebracht hätte werden können. Weil was bringt es mir denn, wenn eines oder mehrere Atome von mir in Caorle, Mallorca oder auf Rhodos sind, aber der überwiegende Teil meines Körpers sich unverändert zu Hause befindet.

In diesem Sinne wünsche ich einen sonnen- und lesereichen Sommer und vermeiden sie Stau(ch)ungen so gut es geht.

PS: Natürlich ist Max Goldt auch die ideale Lektüre für den Strandurlaub, sagen wir in Jesolo.

Aber nur wenn sie sich ein bisschen im Griff haben. Sollten sie gleich bei der leisesten Pointe losprusten und bei den schwereren Humorattacken in Atemnot geraten, würde ich davon abraten. Weil wenn ich loswiehere verschrecke ich vielleicht eine Gemsenherde oder den durch die Gegend schwankenden Klaus Maria Brandauer, aber sie gleich halb Wien!




RSS-Feed für Kommentare zu diesem Beitrag 1 Kommentar


  • Kommentar von  stefanie am 14.07.2011 um 14:26 Uhr

    Hallo!
    Geniale Rezension obwohl fast nicht vom Buch die Rede ist. Vielleicht gerade deshalb.
    Gratulation!!!
    LG, Steffi


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